"Backstreet's back, alright!" Das 38-jährige Bandbaby Nick Carter (Zweiter von links) und die Backstreet Boys waren nie weg. Jetzt sind sie aber wieder da.

FoReuters / Mario Anzuonito:

"Aus den Augenwinkeln sah ich wie in Zeitlupe einen gigantisch großen Teddybären durch die Luft segeln. Ich drehte meinen Kopf in diese Richtung und sah das Teil wie in diesem berühmten Matrix-Effekt auf mich zufliegen. Die Flugbahn neigte sich auf der Höhe des Bühnengrabens langsam nach unten. Genau dann, als ich beide Hände fest um das Funkmikrofon geklammert hatte, landete das Stofftier an beziehungsweise in meinen Klöten. Bummmmm! In diesem Moment war ich wirklich froh, dass ich Playback sang, denn hätte ich live performt, wäre mir wohl reflexartig ein 'Urrrgh' über die Lippen gekommen."

Was hier Ende der Nullerjahre im Bekenntnisband Sex, Drugs & Castingshows ein ehemaliger Gewinner der RTL-Show Deutschland sucht den Superstar zu berichten hat, trifft wohl auf das ganze Genre zu. Teddybären sind im Geschäft des Teeniepop und speziell während der Neunzigerjahre bei den Boybands die weiche Währung im Geschäft gewesen.

New Kids on the Block, 'N Sync sowie weltweit zahllose lokale Nachahmer in nicht so zentralen Popnationen wie Molwanîen, San Sombrèro und Phaic Tan – dazu Umsätze im dreistelligen Millionendollarbereich und kreative Buchhaltung. Deswegen sitzen schon einmal ehemalige Bandmanager dreimal lebenslänglich mit der Hoffnung auf Halbierung der Strafe in Haft:

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Hunderttausende arme Teddybären verließen damals ihre Produktionsstätten nur zu einem Zweck. Sie sollten gegen die Boybands als kindliche Liebesbomben in Stellung gebracht und dann bei Großkonzerten Richtung Bühne geworfen werden. Liebe ist die größte Kraft, die uns in jungen Jahren alle schafft. Damit wären wir bei den Backstreet Boys aus den US of A. Ihr Entdecker und Manager Lou Pearlman fasste 2008 wegen "Verschwörung, Geldwäsche und Insolvenzbetrug" 25 Jahre aus. Die Band machte sehr gern ohne ihn weiter. Ab diesem Zeitpunkt und mit diversen Comebackversuchen trotz künstlerischer Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Choreos, Drogen, Botox, Stimmverlusts und einer christlichen Wiedergeburt in der Band begannen die Backstreet Boys immerhin zum ersten Mal, Geld zu verdienen, nach Millionen verkaufter Alben.

Individueller Synchrontanz

Neben den britischen Vorreitern Take That, die die besseren Songs im Angebot hatten und mit Robbie Williams den Harald Juhnke der Boybandszene als Mitglied (der alles oben Beschriebene im Alleingang schaffte, außer der christlichen Wiedergeburt), erwiesen sich ab Mitte der 1990er-Jahre die US-Kollegen Backstreet Boys zumindest für ein paar Jahre als erfolgreichstes Modell. Vor allem junge Frauen nutzten das unterschwellig hochsexualisierte Reifeprozessangebot dieses an der Oberfläche recht unschuldig daherkommenden Pop.

Alben wie Quit Playin' Games with My Heart und Songs wie Everybody (Backstreet's Back) sorgten speziell auch in Europa für Massenhysterie bei Konzerten.

Wichtig dabei auch die seit den Beatles essenzielle Rollenbesetzung der Band: der Rebell, der Schmusebär, der unschuldige Badboy, der christlich wiedergeborene Langweiler, der aber singen kann, pünktlich zur Probe kommt, durchlüftet und keine Sachen nimmt, die das Lesen eines Vertrags vor der Unterschrift beeinträchtigen könnten.

Wer jetzt genau welcher dieser Typen bei den Backstreet Boys ist, das muss einmal die Musikwissenschaft klären. Im Wesentlichen kann man bei den Backstreet Boys zwei wichtige, für den Erfolg der damaligen Jahre entscheidende Charakteristika festmachen. Zum einen wären da die schon erwähnten Boyband-Choreografien. Sie sind grundsätzlich durcharrangiert und vertrauen dabei sehr viel auf Synchrontanz.

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Synchrontanz einzustudieren kann man sich als harte, Disziplin erfordernde Arbeit vorstellen, die absolut keinen Spaß macht. Disziplin ist ein Begriff, der in der Popmusik in den 1990er-Jahren mit den Boybands und bald auch mit den Castingshows Einzug hielt. Selbstverständlich ist das individuelle Ausscheren aus der Formation Teil des Programms. Es geht schließlich auch darum, zwischendurch die individuelle Note zu betonen und den Freigeist ins Rampenlicht zu stellen. Hand in den Schritt, Becken nach vorn, während die anderen den Kreistanz praktizieren: Das bedeutet Teddybären mit der Aussicht auf Unterwäsche!

Textlich wird das Schmachten um ewige Liebe oder die verzweifelte Bitte ans Baby, doch wieder zum Backstreet Boy zurückzukehren, nun für ein treues, reiferes Publikum wieder einmal historisch während einer Welttournee nachgestellt werden. Am 28. Mai performen die Backstreet Boys ihr Ende Jänner erscheinendes Album DNA auch in der Wiener Stadthalle. Wie kreischt man eigentlich mit 40? Gelassener. (Christian Schachinger, 11.1.2019)