Die meisten Morde unter Mafiosi geschehen auf dem Balkan. Nach der Ermordung Vladimir R.s wurde in Wien der Tatort gesperrt.

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Als sein Freund, der Drogendealer Radovan M., im Februar 2016 mit zwei Kugeln im Kopf in seinem Audi in Montenegro aufgefunden wurde, schrieb Vladimir R. auf seinem Facebook-Account unter einem Foto, das die beiden beim Shisha-Rauchen zeigt: "Ruhe in Frieden, Bruder". Als er nun selbst im Dezember in Wien erschossen wurde, schalteten Freunde sogar zweiseitige Trauerparten in der Zeitung. Vladimir R. war erst 31, aber schon ein durchaus prominentes Mitglied des Drogenrings.

Die montenegrinische Mafia weiß schließlich, was sich gehört – und wer genauer liest, kann in den Todesanzeigen sogar Ankündigungen für die nächste Rachefehde entdecken. Hinter dem Mafiamord am 21. Dezember in Wien steckt ein Bandenkrieg zwischen verfeindeten Mafiagangs, der seit einigen Jahren andauert und schon dutzende Todesopfer gefordert hat. Manche der Kriminellen wurden erschossen, andere starben durch Bombenangriffe auf Autos und Wohnungen. Neu ist das Morden zwischen den Mafiosi also nicht, außergewöhnlich ist höchstens, dass sich die montenegrinischen Gangster nun auch in Wien um die Ecke bringen.

Kavacki-Clan

Vladimir R. stammt aus dem Kavacki-Clan aus dem Ort Kavac in der Nähe von Kotor, einer wunderschönen Küstenstadt, die sogar als Weltkulturerbe gilt. Der Bandenführer Slobodan K. wurde kurz vor dem Mord an Vladimir R. in Tschechien verhaftet. Der zweite Clanchef Radoje Z. soll sich noch in EU-Staaten mit einem bosnischen Pass aufhalten, er wurde zudem im Kosovo gesehen.

Der Krieg zwischen dem Kavacki-Clan und dem Skaljarski-Clan, die ursprünglich zusammenarbeiteten, brach Ende 2014 aus, als etwa 200 Kilogramm Kokain in der Nähe von Valencia verschwunden sind. Seitdem wird gestritten und gemordet. Allein rund um Kotor sollen seit 2013 mehr als 30 Personen liquidiert worden sein. Serbische Kriminalisten und Medien sprechen von 143 Mafiamorden in der Region.

60 Prozent unaufgeklärter Fälle

Laut einer Datenbank, die vom serbischen Verbrechens- und Korruptionsberichtsnetzwerk KRIK und Radio Free Europe zusammengestellt wurde, sind über 60 Prozent der Fälle überhaupt nicht geklärt. In nur neun Prozent der Fälle läuft ein Verfahren. Die ersten Schießereien zwischen den Mafiosi begannen vor zehn Jahren.

Vor zwei Jahren eskalierte die Fehde aber, innerhalb nur eines Monats wurden acht Personen getötet. Im Jänner 2017 intensivierte die Polizei deshalb ihre Patrouillen. Zuvor waren drei Autos in Podgorica in die Luft geflogen, die Bomben hatten fünf Personen getötet. In Bar wurden sogar Grabsteine von Drogenhändlern mit Brandsätzen zerstört. Auch die Toten ließ man nicht mehr ruhen.

Eskalation seit 2017

Die Probleme liegen aber tatsächlich noch tiefer: Auch Leute aus dem Sicherheitsapparat sollen in die Geschäfte der Clans verwickelt sein. In Podgorica kam es wegen der Mafiamorde zu Protesten von Bürgern, die sich "ein Leben ohne Angst" wünschten. Die Bombenanschläge betreffen nun nicht nur Drogenhändler, sondern auch Polizisten und Geschäftsleute. Eine der Konsequenzen des Bandenkriegs ist, dass noch mehr gepanzerte Autos mit schwarzen Scheiben herumfahren.

Familie R. war schon vor dem Drogenkrieg mehr als amtsbekannt und bereits in den 1990ern im Zigarettenschmuggel aktiv. Sie besitzt mehrere Cafés und einen Nachtklub. Der Cousin des getöteten Vladimir R., Dusko R., wurde 2009 wegen des Mordes an einem Serben verurteilt. Im Februar 2017 wurde Dusko R.s Auto per Fernzündung in die Luft gesprengt – er verlor seine Beine, überlebte aber. Auch Duskos Vater wurde kurze Zeit später getötet. Vladimir R. war bei dem Mord, für den sein Cousin 2009 verurteilt wurde, zwar dabei, wurde aber freigesprochen.

Dokumentenfälschung

Er saß in Montenegro wegen Dokumentenfälschung hinter Gittern und kam erst zwei Wochen vor seinem Tod aus dem Gefängnis. Lokale Medien berichten, dass die Polizei vermutet, dass Vladimir R. aus der Haft, Bombenattentate angeordnet haben könnte. Ein dritter Verdächtiger ist noch in Wien in Haft. Auch der angeschossene, mittlerweile enthaftete Stefan V. gehört zu einer amtsbekannten Familie. Sein Papa ist ein Promi in der Unterwelt, eine seiner Verwandten ist die Turbo-Folksängerin Dara Bubamara. Das Essen beim Figlmüller sollte für die beiden wohl eine elegante Haftentlassungsfeier sein. (Adelheid Wölfl, 10.1.2019)