Coventry – Der britische Politikwissenschafter Matt Qvortrup rechnet mit einem ungeordneten Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Im Moment laufe es darauf hinaus, sagte der Professor an der Coventry University der APA mit Blick auf das Unterhausvotum am Dienstag. "Es gibt keine Mehrheit für irgendeine andere Alternative, und dann fallen wir auf die WTO-Regeln zurück. Die Lage ist düster."

Qvortrup sieht auch kaum Möglichkeiten, das politische Patt mit einem zweiten Referendum zu durchbrechen. Premierministerin Theresa May sei dagegen, weil dies ihre Konservativen "spalten und zerstören" würde. Oppositionsführer Jeremy Corbyn lehne eine Volksabstimmung ab, "weil er persönlich den Brexit befürwortet und die 'kapitalistische EU' ablehnt", sagte der aus Dänemark stammende Experte, der als Berater des britischen Unterhauses an der Vorbereitung des Brexit-Referendums beteiligt gewesen ist.

Kein rascher Termin für Referendum

Ein zweites Referendum vor dem Austrittstermin 29. März sei wegen des vorgeschriebenen komplizierten Verfahrens kaum möglich. "Es muss zunächst ein Gesetz geben, und dann muss sich die Wahlkommission noch auf eine Frage verständigen. All das macht es fast unmöglich, ein Referendum vor April abzuhalten", erläuterte Qvortrup.

Das eigentliche Problem sei, dass es anders als bei gescheiterten EU-Referenden in Irland oder Dänemark keine eigentliche Rechtfertigung für einen zweiten Anlauf gebe. "In Irland in den Jahren 2001 und 2009 sowie in Dänemark im Jahr 1993 hat es Zugeständnisse (der EU, Anm.) gegeben", erläuterte Qvortrup. Im Fall des Brexit sei es aber "unmöglich", Zugeständnisse zu machen, "und deshalb ist es schwer, ein zweites Referendum zu legitimieren".

Beispiel Neuseeland

Freilich könnte man argumentieren, dass die Bürger nach ihrem grundsätzlichen Votum für den EU-Austritt nun auch die "endgültige Entscheidung" über die Modalitäten des Brexit treffen sollen, so Qvortrup. Er verwies diesbezüglich auf Neuseeland, wo sich die Bürger im Jahr 1992 zunächst für die Einführung des Mehrheitswahlrechts ausgesprochen hatten, und im darauffolgenden Jahr noch einmal über konkrete Wahlgesetze abgestimmt hätten.

Eine "grundsätzlich gute Idee" sei auch, ein Referendum in zwei Phasen abzuhalten. "In der ersten Runde scheiden die weniger beliebten Varianten, und dann gibt es eine Stichwahl (zwischen den beiden beliebtesten Optionen, Anm.)", sagte Qvortrup. Allerdings sei auch ein solches Referendum unwahrscheinlich, weil es den Befürwortern eines Brexits ohne Abkommen in die Hand spiele. Sie hätten nämlich eine "solide Basis" und würden sich daher letztlich durchsetzen. Die Brexit-Gegner würden ein solches Referendum daher "nicht riskieren", sagte Qvortrup, der selbst kein Hehl aus seiner Ablehnung des Brexits macht. "Ich denke, ein Referendum, bei dem man zwischen 'Verbleib' und 'Mays Deal' wählen kann, wäre ideal." (APA, 11.1.2019)