Caritas-Mitarbeiter beim Tee-Ausschank.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Die FPÖ wirft der Caritas "Profitgier" vor und sieht sie als Teil einer "Asylindustrie". Die katholische Hilfsorganisation steht plötzlich im Fokus einer politischen Kontroverse. Für ihre 16.000 Mitarbeiter und 50.000 Ehrenamtlichen ist dies ungewohnt. Vier von ihnen sprechen über ihre Motive und ihre Arbeit.

Mobile Pflege- Claudia Markus Fachsozialbetreuerin

Foto: Caritas

Herr Iszak hat sich heute ordentlich in Schale geworfen: dunkle Jean, elegantes Hemd und darüber ein gelber Pulli. "Bitte, wenn schon das Fernsehen kommt, muss ich gut ausschauen." Dass nur die schreibende Zunft ganz ohne Kamera an diesem kalten Wintermorgen vor der Haustüre steht, nimmt der 87-jährige ÖBB-Pensionist mit einem Lächeln zur Kenntnis. Außerdem habe er sich ja auch "fürs Fräulein Claudia fesch gemacht".

Claudia Markus, ausgebildete Fachsozialbetreuerin für Altenarbeit, ist Teil des Teams der Mobilen Pflegedienste der Caritas Oberösterreich. Der Dienst beginnt für die gebürtige Salzburgerin um sieben Uhr. Gut gelaunt greift die 28-Jährige an diesem Einsatztag im Stützpunkt am Linzer Froschberg zum Diensthandy. Darauf findet sich die aktuelle Tagestour – meist bis zu sieben Kunden mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen. "Von der Körperpflege übers Bandagieren bis hin zum Insulinspritzen und Frühstückherrichten ist alles dabei", erzählt die Sozialbetreuerin. Die Einheiten sind unterschiedlich lang: "Manche Besuche dauern nur 15 Minuten, andere bis zu einer Stunde."

Die Abwechslung ist es auch, die Claudia Markus ihren Job "lieben" lässt: "Manchmal ist es stressig, dann wieder lustig. Ein anderes Mal sind es sehr berührende, persönliche Momente." Ein Gefühl ist aber immer gleich: "Ich weiß jedes Mal, dass ich einen kleinen Beitrag geleistet dazu habe, dass meine Kunden in den eigenen vier Wänden weitgehend glücklich sein können."

Dafür gibt es ein Fliegerbussi von Herrn Iszak. Und eine Mittagseinladung zu Leberkäse und Kartoffelpüree. Doch Zeit für eine Pause hat Claudia Markus an einem Arbeitstag nur selten. (mro)

Notschlafstelle – Torsten Bichler Leiter Wohnungslosenhilfe

Foto: Stefanie Ruep

Der Tag beginnt mit einem Überblick über die Nacht zuvor. Was war in der Notschlafstelle los, wie die Auslastung, wer musste abgewiesen werden? Torsten Bichler ist Leiter der Notschlafstelle Haus Franziskus in Salzburg. "Wir sind die erste Anlaufstelle für Menschen in Notsituationen", sagt Bichler. "Unser Auftrag ist, die Leute ernst zu nehmen und sie fair zu behandeln. Die Notversorgung muss für alle zugänglich sein."

Der erste Kontakt mit einem Klienten komme entweder an der Beratungsstelle L1 am Hauptbahnhof oder durch einen Streetworker zustande. Je nachdem, welche Unterstützung die Menschen brauchen, bekommen sie eine Beratung, die Notversorgung im Haus Franziskus oder werden an die Sozialberatung oder andere Beratungsstellen weitergeleitet.

Als Fachbereichsleiter der Wohnungslosenhilfe koordiniert Bichler die Hilfsangebote. Er kennt die Zahlen, die Situation und viele Gesichter der Obdachlosen in Salzburg. "Die Infos laufen bei mir zusammen", sagt Bichler. Er koordiniert neben dem Haus Franziskus auch das Übergangswohnen Meinzuhaus, das L1, die Wohnintegration und den Virgilbus und plant die Angebote im neuen Haus Elisabeth, das als Tages- und Beratungszentrum und neue Winternotschlafstelle nahe dem Bahnhof entstehen soll.

"Wir sind die Schnittstelle zu anderen Bereichen. Nicht nur die Akutversorgung ist wichtig, sondern auch, den Leuten dauerhaft aus ihrer Lage zu helfen", betont der Fachbereichsleiter. Die Hilfe zur Selbsthilfe stehe im Mittelpunkt. Der Austausch mit anderen Institutionen, NGOs und Behörden funktioniere in Salzburg sehr gut. Die Unterstützungssysteme werden regelmäßig erweitert und hinterfragt. (ruep)

Flüchtlingsbetreuung – Hans Peter Hurka Freiwilliger

Foto: Regine Hendrich

Als pensionierter Postbeamter kennt sich Hans Peter Hurka mit den verschlungenen Wegen der österreichischen Bürokratie bestens aus. Davon profitieren auch die fünf afghanischen Jugendlichen, für die er eine Wohnung in Schwechat als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung stellt.

Mehrmals in der Woche fährt er aus Wien hin, um die jugendlichen Asylwerber zu besuchen: "Ohne rechtliches Know-how ist man vor lauter Anträgen, Behörden und Bescheiden ja verloren", meint Hurka und tischt zum Wahrheitsbeweis ein paar bunte Aktenordner voller Dokumente auf. "Natürlich unterstütze ich die Burschen auch beim Deutschlernen, aber am hilfreichsten ist die Rechtsberatung, die ich mit dem Netzwerk der Caritas anbieten kann", sagt Hurka und betont dabei eindringlich das Wort "Netzwerk". Immer wenn er auf die Caritas zu sprechen kommt, versucht er in eloquenten Variationen ihren kollektiven Charakter begrifflich hervorzuheben. Hurka umschreibt die Caritas als "Pool der Expertise" und als "Gemeinschaft versierter Menschen".

Die weihevolle Note seiner Rhetorik kommt nicht von ungefähr. Gleich zu Beginn des Gesprächs hatte er sein ehrenamtliches Engagement mit der "Pflicht als Mensch und Christ" begründet. In Zeiten, da man Pflichten am liebsten anderen zuweist, klingen Hurkas selbstverpflichtende Ausführungen etwas antiquiert. Das Weihevolle und das Hemdsärmelige gehen bei Hurka jedoch Hand in Hand: Um den Pool der Expertise weiter aufzufüllen, hat er sich kürzlich mit Freunden aus der Caritas und anderen NGOs zum Raum "Schwechat hilft" zusammengeschlossen, damit die Flüchtlingsbetreuung bald noch besser koordiniert werden kann. (ta)

Wohnen – Alexandra Achatz Sozialarbeiterin

Steil windet sich die Treppe bis unter das Dach des Bürgerhauses in der Bludenzer Altstadt. Dort hat die Caritas ein bescheiden eingerichtetes Büro. Alexandra Achatz pendelt zwischen den Beratungsstellen Bludenz und Feldkirch und ist als Teamleiterin für eine Notschlafstelle und das Thema Wohnen zuständig. Zu ihr kommen Menschen, die dringend eine Wohnung suchen oder denen Delogierung droht.

Wie der ältere Herr, der gerade das Büro verlässt. "Er weiß sich nicht mehr zu helfen, sein Mietvertrag wurde gekündigt, Ende Februar muss er raus, aber er findet keine günstige Wohnung", sagt die Sozialarbeiterin. Diese Situation sei für die angespannte Lage auf dem Vorarlberger Wohnungsmarkt typisch. Achatz untermauert mit Zahlen: 2017 kamen 2081 Personen, darunter 750 Kinder, mit Wohnproblemen zur Caritas.

Die Herausforderung sei, diese Menschen immer wieder zu bestärken, ihnen Mut zu machen. "Wir beraten, versuchen aber auch, Notfällen vorzubeugen." Durchaus erfolgreich, wie die aktuelle Statistik zeigt. Bei 100 drohenden Delogierungen konnte in 76 Fällen die Wohnung erhalten werden, 13 konnten die Wohnung wechseln. Bei der Wohnungssuche wird so geholfen, "dass die Fähigkeit zur Selbsthilfe gestärkt wird", sagt Alexandra Achatz. "Um Mietverhältnisse nachhaltig abzusichern, besuchen wir die Menschen manchmal über Monate zu Hause, helfen ihnen, das eigenständige Wohnen zu lernen, mit Finanzen und Nachbarn gut zurechtzukommen."

Sorge bereitet der Sozialarbeiterin die Reduktion der Mindestsicherung. "Ich bin seit 2002 bei der Caritas, einen so gravierenden Einschnitt gab es noch nie. Ich fürchte, dass bald wieder Menschen auf der Straße landen werden." (jub)