Das größte Projekt der Lobbyorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) sind die Fahrverbote für Dieselautos. Gegen 34 Städte hat die DUH geklagt, mit Würzburg kommt eine weitere dazu. In fünf Städten gibt es bereits Dieselfahrverbote, seit Jänner ist die gesamte Stadt Stuttgart betroffen. DUH-Chef Jürgen Resch gilt den einen als Mr. Umwelthilfe, den anderen als kompromissloser, aggressiver Dieselschreck, der auch nicht zögert, deutschen Landeschefs mit Gefängnis zu drohen. Zuletzt wuchs die Kritik am Geschäftsmodell der DUH, die als Verbraucherschutzorganisation auch klagen und Unternehmen abmahnen und bei Verstößen Geld eintreiben darf. Verständnis für die Nöte der Autobauer hat er nicht.

STANDARD: Vergangenes Jahr ist es laut geworden in der Dieselsache. Hat sich der Sturm ausgezahlt?

Resch: Wir sind der Auffassung, dass wir im Moment eine relevante Hilfestellung für saubere Luft in unseren Städten und für eine Verkehrswende leisten. Es wird Ihnen gefallen, dass Wien neben Zürich sehr häufig als eine der Metropolen genannt wird, die klügere Ansätze hat als viele deutsche Metropolen und Landes- und Bundesregierungen. Hin zu weniger Individualverkehr und mehr kollektivem Verkehr.

Jürgen Resch ist ein Mann, der gerne schwere Geschütze auffährt. Mit Kompromissen gibt er sich gerade im Dieselstreit nicht zufrieden.
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STANDARD: Wien steht in Sachen E-Mobilität eher auf der Bremse. Keine freie Fahrt auf der Busspur oder Gratisparkplätze für E-Autos. Wie soll da eine Wende hin zu klimafreundlicherem Verkehr gelingen?

Resch: Wir möchten Privatautos in Deutschland auch nicht auf den Busspuren sehen. Der motorisierte Individualverkehr muss unabhängig von den Antriebsarten zurückgedrängt werden. Wir brauchen eine Privilegierung für die öffentlichen Verkehre, schmutzige müssen raus aus den Städten. Der Dieselstinker hat in der Stadt nichts mehr zu suchen.

STANDARD: Ganz schön hart für Dieselfahrer, die ihre Autos im guten Glauben, etwas für die Umwelt zu tun, gekauft haben und jetzt auf einem Haufen zusehends wertlosem Blech sitzen.

Resch: Er muss eben ersetzt oder in vielen Fälle repariert werden. Es ist kein Hexenwerk, aus einem schmutzigen Diesel einen sauberen zu machen. Die Defekte, häufig eine betrügerische Abgasanlage, kann man in einem zwei- bis vierstündigen Werkstattaufenthalt durch eine funktionierende Abgasanlage ersetzen.

STANDARD: Das kostet Geld. Dadurch rechnen sich Kleinwagen für Autobauer angesichts der ambitionierten Verbrauchs- und Abgasvorschriften nicht mehr. Schneidet man sich ins eigene Fleisch?

Resch: Das betrifft vor allem kleine Dieselmodelle. Die Autohersteller haben höhere Renditen, wenn sie SUVs verkaufen, und bewerben diese auch intensiv.

STANDARD: Es ist doch legitim und sogar ihre Pflicht, dass die Industrie Geld verdient, um Investitionen, die es auch für die E-Mobilität braucht, stemmen zu können.

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Resch im Oktober vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Die Lobbyorganisation gibt es schon lange. Sie stritt für die Einführung des Dieselpartikelfilters, die Einrichtung von Umweltzonen, das Dosenpfand. Das größte Projekt sind aber die Fahrverbote.
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Resch: Es ist betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich eine Fehlentscheidung. Die Hersteller und die Industriegewerkschaft Metall kämpfen gegen ehrgeizige CO2-Vorgaben der EU und funktionierende E-Mobilitätsförderungen. Zu sehen an den erschreckend niedrigen Zulassungszahlen für E-Autos. Warum werden E-Antriebe, Elektro-Gas-Hybridantriebe, Brennstoffzellenantriebe, die gebetsmühlenartig als Zukunft dargestellt werden, von deutschen oder österreichischen Herstellern nicht oder nur in homöopathischen Dosen angeboten?

STANDARD: Vielleicht weil tausende Jobs bedroht sind?

Resch: In Großbritannien sind viele Arbeitsplätze auf den Kohlelokomotiven verlorengegangen. Man hat versucht, Posten dadurch zu retten, dass auf den Elektrolokomotiven Heizer mitfahren mussten. Es ist nicht aufzuhalten, dass die Welt andere Antriebe braucht. Deutschland wie Österreich haben sich für 2020 Klimaziele gesetzt. Der Verkehrsbereich ist der einzige, der in den vorigen 28 Jahren nicht nur keinen Beitrag geleistet hat, sondern der sogar seine CO2-Emissionen erhöht hat.

STANDARD: Das werfen Sie der Industrie vor?

Resch: Vergleiche ich die Autos von 1990 mit denen von 2019, stelle ich eine Aufrüstung fest, die durch nichts gerechtfertigt ist. Wir brauchen eine ordnungsrechtliche Hand des Staates, die der Industrie sagt, dass bestimmte Fahrzeuge nicht erwünscht sind. Will sie jemand haben, muss er dafür erhöhte Steuer zahlen. Mit diesen Mehreinnahmen versucht man, Produkte der Zukunft zu entwickeln. Wie soll eine deutsch-österreichische Automobilindustrie überleben, die sich viel zu stark auf Diesel eingestellt hat, wenn die Welt der deutschen und österreichischen Automobilindustrie keine Diesel mehr abkauft? Der internationale Dieselmarkt ist tot.

STANDARD: Durch Ihren Beitrag?

Resch: Nicht durch die Enthüllungen der Deutschen Umwelthilfe, sondern durch den organisierten und selbsteingestandenen Betrug, der über 20 Jahre in einem Kartell abgesprochen wurde. Genau so wie im Coppola-Epos Der Pate, wo sich die organisierte Kriminalität in Hotelhinterzimmern getroffen hat. Eine solche Industrie, die die Glaubwürdigkeit der Dieseltechnologie international an die Wand gefahren hat, muss sich genau überlegen, ob sie jetzt diese Erpressungspolitik den Regierungen gegenüber weiterführt.

In den Fokus rückt die DUH vor allem wegen des Diesel-Skandals, an dessen Aufdeckung sie auch mit eigenen Messungen mitgewirkt hat. Zuletzt sind die kritischen Töne gegenüber der Organisation immer lauter geworden.
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STANDARD: Was würde eine kluge Politik jetzt machen?

Resch: Sie würde versuchen, der Automobilindustrie Rahmenbedingungen zu geben, zum einen alle Diesel, die sie ausgeliefert hat, zwingend durch Hardwarenachrüstungen sauberzumachen, um die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Die USA hat das gegenüber Porsche, Audi und Volkswagen durchgesetzt. Warum bekommen es die deutsche, österreichische und andere europäische Regierungen nicht hin, das Gleiche für ihre betrogenen Bürger zu fordern und durchzusetzen? Wir haben das erst teilweise gelöst.

STANDARD: Dabei gibt es schon einige Dieselfahrverbote. Wie erklären Sie das den Dieselbesitzern?

Resch: Die Regierungen in Deutschland und Österreich müssen sicherstellen, dass die Industrie die Kosten für die Nachrüstung übernimmt. Es kann nicht sein, dass ein schmutziges Fahrzeug – Euro 5 sind, was Stickoxide angeht, schmutziger als 30 Jahre alte Diesel – weiter in Städte fahren darf. Selbst die neueste Abgasnorm 6d wird jetzt vom Europäischen Gericht als illegal bezeichnet. Diesel ist tot, mausetot.

STANDARD: Wie aufgebracht sind mittlerweile die Bürger?

Resch: Selbst in Stuttgart haben über 50 Prozent der Bürger gesagt, uns reicht es. Wir halten Dieselfahrverbote für notwendig. Die Dieselfahrverbote sind ja ganz schnell weg für die betroffenen Bürger, wenn man nach zwei bis vier Stunden Wertstattaufenthalt eine funktionierende Abgasanlage drinnen hat.

STANDARD: So einfach ist es nicht. Jetzt gibt es zwar eine Rechtsgrundlage, aber kaum Nachrüstangebote am Markt.

Resch: Vierzig Monate hat die DUH gebraucht, um die Regierung dazu zu bringen, endlich eine Verordnung zu schreiben, dass man nachrüsten kann. Es ist aberwitzig, dass die Autoindustrie diesen Betrug missbraucht hat, um die Kunden dazu zu bringen, ihre Euro-5-Autos zu verkaufen, um sich ein Euro-6-Auto zu kaufen. Ich hoffe sehr, dass wir schnell Nachrüstangebote am Markt finden und auch die österreichische Regierung ausreichend Mumm findet, sich für ihre Bürger prioritär einzusetzen. Wer ein Auto gekauft hat, das als sauber und klimafreundlich versprochen wurde, hat Anspruch darauf, dass es so nachgerüstet wird, dass es diese Eigenschaften hat.

STANDARD: In Bayern wurde der Streit um Dieselfahrverbote und den Luftreinhalteplan bis zum EuGH getragen. Selbst die Inhaftierung von Ministerpräsidenten verlangen Sie. Gehen Sie zu weit?

Resch: Wir haben in München seit über vier Jahren ein rechtskräftiges Urteil und höchstrichterliche Entscheidungen, und seit vier Jahren wehrt sich die Staatsregierung von Bayern, das Urteil zu beachten. Wenn es ums Auto und den Diesel geht, wagt man nicht mehr, Recht und Gesetz anzuwenden.

STANDARD: Die kritischen Töne gegenüber der DUH sind zuletzt immer lauter geworden, vor allem am Geschäftsmodell gab es zunehmend Zweifel.

Resch: Wir machen das Gleiche wie schon immer. Wir sind seit 43 Jahren aktiv, wir sind seit 14 Jahren klageberechtigte Verbraucherorganisation. Die Tatsache, dass wir beispielsweise den Staat 14-mal in Folge abgemahnt haben, gegen Recht und Gesetz verstoßen zu haben, und 14-mal in Folge sagen die Gerichte, nicht der Staat, sondern die Deutsche Umwelthilfe hat recht, hat dazu geführt, dass man uns vorwirft überhaupt vor Gericht zu gehen und so hartnäckig Recht durchsetzen zu wollen. In einer Frage, wo es um Menschenleben geht. Die Frage der Gemeinnützigkeit – also sind wir überhaupt fragwürdig unterwegs – wurde gerade eben von den Behörden für die nächsten fünf Jahre geprüft und bestätigt. (Regina Bruckner, 14.1.2019)