Die Spitzen der türkis-blauen Koalition sind überzeugt, dass sie auch nach den nächsten Wahlen regieren werden, und sie mögen damit recht haben. Dadurch aber tragen ÖVP und FPÖ Verantwortung bis mindestens ins Jahr 2027 – also für ein ganzes Jahrzehnt und für alle Weichenstellungen, die in dieser Zeit zu erwarten sind. Die wichtigste von ihnen ist die Klimapolitik.

Angesichts vieler alarmierender Studien in jüngster Zeit – zuletzt zum dramatischen Temperaturanstieg in den Weltmeeren – sind sich die meisten Experten einig, dass nur eine entschlossene politische Kehrtwende in den nächsten paar Jahren eine globale Klimakatastrophe abwenden kann. Dabei ist Österreich bei der Senkung der Treibhausgasemissionen im EU-Vergleich besonders weit im Rückstand.

In der Bundesregierung ist dennoch von Dringlichkeit nichts zu merken. Ja, es gibt eine Klima- und Energiestrategie bis 2030 mit guten Absichten und wohlklingenden Projekten, aber es fehlen ernsthafte Bemühungen, diese Ziele auch zu erreichen. Daran ändern auch die jüngsten Steuerreformpläne nichts, in der ein kurzer Abschnitt der "Ökologisierung" des Steuersystems gewidmet ist. Denn beide Parteien sind wild entschlossen, jede Steuererhöhung zu vermeiden und nur über positive Anreize Veränderungen im Verkehr, bei Gebäuden und in der Industrie zu bewirken – etwa durch Förderungen für den Kauf von Elektroautos.

Unpopuläre Klimapolitik

Aber gleichzeitig will Verkehrsminister Norbert Hofer auch den heutigen Autofahrern, eine Stammklientel der FPÖ, das Leben erleichtern, indem er das Tempolimit auf Autobahnen erhöht oder die Normverbrauchsabgabe (NoVA) auf Neuwagen abschafft. Sein letzter Vorstoß – die Anhebung des 60-km/h-Tempolimits für Lkws in der Nacht – würde wiederum einen Wunsch der Frächter erfüllen. All das droht tendenziell den CO2-Ausstoß im Straßenverkehr weiter zu erhöhen und alle beschlossenen Klimamaßnahmen zu konterkarieren. Das mag ganz im Sinne der FPÖ sein, die bekanntlich wenig von Klimastudien hält. Die ÖVP lässt sie im Interesse des Koalitionsfriedens dabei gewähren.

Für eine Regierung, der gute Umfragewerte und Wahlaussichten über alles gehen, ist dieser Kurs verständlich. Denn eine wirkungsvolle Klimapolitik ist zumindest kurzfristig nicht populär. Dafür müsste man nämlich fossile Treibstoffe verteuern, den Individualverkehr eindämmen, die Zersiedelung stoppen und Haushalte wie Betriebe zu oft kostspieligen Investitionen in grüne Technologien drängen. All das sind Tribute, die heute erbracht werden müssten, damit auch morgen eine lebenswerte Welt erhalten bleibt. Ein Land wie Österreich kann allein nur wenig ausrichten; auch das spricht gegen allzu forsches Handeln.

Aber wenn ein reiches, umweltbewusstes Volk, das stolz auf seine klimasensiblen Bergwelten ist, in einer Hochkonjunktur nicht überredet werden kann, ernsthaft in die Zukunft zu investieren, wie soll man das von China, Indien oder gar Afrika erwarten? Und wenn eine Regierung mit einer so satten Umfragemehrheit sich nicht traut, den Wählern auch nur kleine Opfer abzuverlangen, wer soll dann je die Erderwärmung stoppen?

Der politische Opportunismus dieser Regierung ist in vielen Bereichen ein Ärgernis. In der Klimapolitik aber ist es mehr. Hier droht ein historisches Versagen, das auch den Anspruch auf eine Wiederwahl massiv infrage stellt. (Eric Frey, 14.1.2019)