Von einer Mehrheit für das von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen gehen die meisten Beobachter nicht aus.

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Frankfurt am Main – Die vergangene Woche klang eher versöhnlich aus. Freundlichere Töne im Zollkonflikt und Signale für ein gedrosseltes Zinstempo der US-Notenbank bescheren zumindest dem deutschen Leitindex DAX Experten zufolge gute Voraussetzungen, um die wichtige Marke von 11.000 Punkten zu knacken. Ob die Wiener Börse nachzieht, ist noch offen. Ohnehin gibt es auch Ereignisse, die der neuen Börsenwoche Hektik bescheren dürften.

Nach den dreitägigen Handelsgesprächen zwischen den Streithähnen China und USA warten Investoren noch immer auf konkrete Ergebnisse. Zwar zogen beide Seiten ein positives Fazit. "Die Finanzmärkte wollen aber mehr sehen, und das könnte die Rally schnell wieder abebben lassen", sagt Jasper Lawler vom Online-Brokerhaus London Capital Group (LCG). Auch die ungelöste Brexit-Frage und der Haushaltsstillstand in den USA könnten für Gegenwind sorgen.

Zollstreit

Die Anfang Jänner aufgekeimten Hoffnungen auf eine Lösung im Zollstreit haben dem DAX gehörig Auftrieb gegeben. In der Spitze war er in der abgelaufenen Woche bis auf 40 Punkte an die 11.000-Punkte-Marke herangekommen, die er seit Anfang Dezember nicht mehr überschritten hat. Auch an den US-Börsen ging es aufwärts: In der vergangenen Woche legte der Dow 2,4 Prozent zu, der S&P 2,5 Prozent und der Nasdaq 3,5 Prozent.

Unterstützung erhielten die Aktienmärkte auch von Äußerungen führender US-Notenbanker, die sich gegen zu rasche Zinsschritte aussprachen. Fed-Chef Jerome Powell sagte, er sehe keinen Grund zur Eile.

Brexitabstimmung am Horizont

Am Dienstag stimmt das britische Unterhaus über das von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen ab. Der Ausgang ist offen, wobei nur wenige Beobachter von einer Mehrheit für den Vertrag ausgehen. "Spannend ist eher die Frage, wie hoch die Niederlage ausfällt", sagt Helaba-Experte Christian Apelt. May müsste dann binnen drei Tagen einen Plan B vorlegen. "Deal, No-Deal, neues Referendum, Neuwahlen, Plan B, C oder D: Keine der Möglichkeiten findet derzeit eine Mehrheit, alles wirkt unwahrscheinlich", fasst Apelt zusammen. Er sieht eine wachsende Wahrscheinlichkeit, dass das auf den 29. März festgelegte Austrittsdatum um mehrere Monate verschoben wird. Anleger müssten somit noch länger um einen geordneten Brexit zittern. "Ein harter Brexit würde in Großbritannien sicherlich eine Wirtschaftskrise heraufbeschwören, auch für den Rest von Europa drohen erhebliche Wachstumseinbußen", sagt Volkswirt Stefan Bielmeier von der DZ Bank.

Wall Street und der Shutdown

Eine neue Eskalationsstufe droht auch im Haushaltsstreit in den USA. Sollte die Haushaltssperre (Shutdown) für einen großen Teil der Behörden in der neuen Woche anhalten, wäre dies die längste ihrer Art, sagt Stratege John Vail vom Vermögensverwalter Nikko Asset Management. Mehr und mehr Staatsangestellte dürften dann ihre Arbeit niederlegen, was sich auch negativ auf die Wirtschaft auswirken werde. "Auch nach einer Normalisierung der Lage dürften die Märkte die Dysfunktionalität des politischen Betriebs nicht so schnell vergessen." Die Angst vor weiteren innerpolitischen Eskalationen dürfte die Wall Street belasten. (Reuters,red, 13.1.2018)