Jahrzehntelang holte man sich Videokassetten, DVDs und Blu-rays wenige Monate nachdem ein spannender Film in den Kinos war. Den Studios brachte dies stattliche Zusatzeinkünfte. Bei vielen Händlern ist die Verkaufsfläche für die Scheiben in den letzten Jahren aber stark geschrumpft.

Denn der "DVD-Abend" hat längst Konkurrenz aus dem Netz bekommen, etwa von Amazon und Netflix, die mit einem riesigen Katalog an Filmen und Serien im leistbaren Monatsabo locken. DER STANDARD hat Marktdaten aus den USA und Österreich analysiert. Sie sprechen eine klare Sprache und erklären, warum Hollywoodstudios und Streaminganbieter gerade einen radikalen Wandel vollziehen.

Die Regale für Blu-rays und DVDs wurden von den meisten Händlern mittlerweile zusammengeschrumpft.
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2007 war "Peak DVD"

Vor 13 Jahren war mit der "Scheibenwelt" noch alles in Ordnung. Fluch der Karibik 2 ging als DVD in den USA rund 14,5 Millionen Mal über die Ladentheke und brachte im Nachgang eines starken Kinoergebnisses allein so noch einmal 274 Millionen Dollar an Umsatz. Platz zwei und drei belegten Cars und die Fortsetzung der Chroniken von Narnia. Insgesamt konnten sich die Filmstudios über einen Umsatz von 5,4 Milliarden Dollar mit den 100 meistverkauften DVD-Titeln freuen.

Im Jahr danach konnte man das Ergebnis noch einmal übertreffen. Da wurden es fast 6,2 Milliarden – angeführt von Fluch der Karibik 3, Transformers und Happy Feet. 2007 war in den Vereinigten Staaten aber auch "Peak DVD". Verkaufszahlen und Erlöse sollten nie wieder so hoch ausfallen. Schon 2008 stürzten sie um mehr als ein Drittel auf vier Milliarden ab. Freilich war dies nicht nur ein Zeichen des sich wandelnden Konsumverhaltens, sondern auch eine Folge der akut gewordenen Weltwirtschaftskrise.

Blu-ray kann DVD-Erfolg nicht wiederholen

Die große Streaming-Revolution – Netflix startete erst 2007 mit seinem Onlineservice – war da noch nicht eingetreten. Die Filmfirmen und Gerätehersteller arbeiteten selbst an der Ablöse der DVD. In einem recht kurzen Scharmützel zwischen zwei Industriekonsortien hatte sich letztlich die Blu-ray gegen die HD-DVD durchgesetzt. Im ersten Jahr, für das Zahlen der gleichen Quelle vorliegen – 2009 –, wurden für die 100 beliebtesten DVDs 32,5 Millionen Blu-ray-Verkäufe mit einem Umsatz von 720 Millionen Dollar notiert. Rund ein Achtel der DVD-Absätze, der Anteil am Umsatz fiel deutlich höher aus.

Während seitdem immer weniger DVDs verkauft wurden, sanken trotz Steigerung der Blu-ray-Absätze die Gesamtzahlen für die Scheiben weiter. Die Blu-ray selbst erreichte ihr bestes Jahr bereits 2014. Mit 76 Millionen Verkäufen und 1,75 Milliarden Dollar Umsatz lag sie weit entfernt von den goldenen Zeiten der DVD.

Verfallender Markt

Erst 2017 überholte die dann gar nicht mehr so neue Scheibe ihre Vorgängerin bei den Verkäufen. Beim Umsatz schlug man sie bereits im Vorjahr. Beides jedoch nur, weil der Rückgang weniger stark ausfiel. Die Bilanz für 2018: Am US-Markt standen 43 Millionen verkaufte DVDs mit 609 Millionen Umsatz 53 Millionen Blu-rays mit 1,2 Milliarden Umsatz gegenüber.

Gemeinsam kamen die 100 Filme mit dem besten Gesamtabsatz über DVD und Blu-ray auf 94 Millionen Verkäufe bei 1,75 Milliarden Umsatz. Vier Jahre zuvor spielte noch die Blu-ray allein so viel Geld herein. 2007 erzielten nur die Top 100 der DVDs ein Umsatzergebnis, das 3,5-mal so hoch ausfiel.

Streaming rettet das Heimkino

Die Entwicklung im Spitzenfeld spiegelt den Gesamtverfall des Markets wider. Der Industrieverband Digital Entertainment Group (DEG) gab die Gesamteinnahmen für 2018 aus dem Verkauf von DVDs und Blu-rays mit 4 Milliarden Dollar an, ein Minus von 14,6 Prozent zum Vorjahr.

Zahlen, die im Vergleich zu Streaming mittlerweile verblassen. Die DEG kommt hier auf knapp 13 Milliarden Dollar für 2018 für die Abodienste, was eine Steigerung von 30 Prozent bedeutet. Überhaupt legten alle elektronischen Angebote, mit Ausnahme des Einzelkaufs, zu. Sie sorgen auch dafür, dass die Ausgaben für Videounterhaltung in den USA insgesamt um 11,5 Prozent gestiegen sind.

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Österreich: Blu-ray löste DVD nie ab

Auch hierzulande entspricht die Entwicklung den Tendenzen, die in den USA zu beobachten sind. Laut Zahlen des Filminstituts Österreichs, erhoben vom Marktforschungsinstitut GfK, wurden 2017 in Österreich 5,2 Millionen DVDs verkauft, bei einem Umsatz von 62,8 Millionen Euro. Damit liegt man mittlerweile unter dem Niveau von 2010. Das stärkste Jahr war 2011, hier wurden 12,6 Millionen Stück verkauft, die 153,3 Millionen Euro in die Kasse spülten – seitdem geht es kontinuierlich bergab.

Die Blu-ray hatte in der Alpenrepublik gegen die DVD allerdings nie eine Chance. Das Rekordjahr für sie war 2014, als 3,3 Millionen Stück von Filmen und Serien für 52,3 Millionen Euro den Besitzer wechselten. Per Ende 2017 notiert man 2,2 Millionen Verkäufe bei einem Erlös von 32,9 Millionen Euro, also bei etwa der Hälfte des DVD-Ergebnisses.

Das Filminstitut hält zur Gesamtentwicklung Folgendes fest: "Endgültig festgeschrieben ist der Untergang der Videotheken. Nach langen Jahren des hinhaltenden Widerstandes hat die digitale Verbreitung aber nun auch mehr als deutliche Auswirkungen auf den Verkauf von Blu-Ray und DVD."

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Filmstudios setzen auf eigene Streamingplattformen

Womit sich der Kreis schließt. Denn wenn Netflix oder Amazon Serien und Videos von Hollywoodstudios per Streaming anbieten, verdienen sie daran natürlich fleißig mit. Diesen Stück des Kuchens wollen sich die Filmfirmen nun mit eigenen Onlineangeboten zurückholen. Viele von ihnen haben auch starke Zugpferde im Stall, die viel Publikum anziehen dürften. Allein Disney hat neben seinen ureigensten Produktionen auch den Comicriesen Marvel und das Star Wars-Studio Lucasfilm unter seinem Dach.

Die Streaminganbieter bereiten sich freilich schon vor auf die Zeit nach den großen Lizenzdeals. Für sie besteht der Ausweg darin, selbst zu Filmfirmen zu werden. Dementsprechend investieren sie massiv in Eigenproduktionen. Netflix allein dürfte im vergangenen Jahr 13 Milliarden Dollar für seine Inhalte ausgegeben haben, wenn man nach einem "Forbes"-Bericht aus dem Sommer des Vorjahres geht.

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85 Prozent davon sollen in eigenen Content gesteckt worden sein. Gemacht und lizenziert wurden über 80 neue Filme und hunderte Serien, um das Publikum bei Laune zu halten. Die Ausgaben dürften in Zukunft weiter steigen. Goldman Sachs schätzt, dass Netflix bis 2022 jährlich 22,5 Milliarden Dollar für seine Inhalte ausgeben wird.

Der nur in den USA angebotene DVD-Verleih, der lange das alleinige Geschäftsmodell war, hat für den Konzern kaum noch Relevanz. Ende 2017 bezogen nur noch 3,3 Millionen Personen in den USA ein Abonnement für diesen Service, um 730.000 weniger als im Jahr davor. Im gleichen Zeitraum wuchs der Kundenstamm im Streamingbereich weltweit auf 118 Millionen an.

Auf den Wandel der Zeit reagieren mittlerweile auch die Gerätehersteller. Das Portfolio an Playern für die neue UHD-Bluray ist recht klein, und so manche Elektronikfirma wendet sich selbst von den etablierten Scheiben ab. Kürzlich hat Samsung angekündigt, keine Blu-ray-Player mehr bauen zu wollen. (Georg Pichler, 1.4.2019)