Die prächtige alte Fichte mussten Besucher im Leopold-Museum nicht allzu lange vermissen. Das stattliche Exemplar aus dem Gasteinertal, dem der wohl begnadetste Aquarellist des 19. Jahrhunderts, Rudolf von Alt, auch im Bild ein ansehnliches Format von 50 mal 56 Zentimetern gab, hing in der im Mai 2017 zu Ende gegangenen Ausstellung Zauber der Landschaft.

Anton Romako: "Nebel im Hochgebirge (Fichte mit Flechten)", 1877
Foto: Leopold-Museum / Manfred Thumberger

Vermutlich war auch Anton Romakos mit allerlei Baumbärten behängtes und in giftigen Grüntönen eher übernatürlich wirkendes Exemplar zu sehen. Oder das etwas gerupfte Bäumchen von Friedrich Gauermann, das in Zeiten des Klimawandels eher die kahlen Wipfel des aktuellen Fichtensterbens vergegenwärtigt.

Von Waldmüller bis Boeckl, also bis ins 20. Jahrhundert hinein, zog man damals den Bogen. Und so durften sicher auch die Fichten vom Semmering, die Koloman Moser 1907 als dunkelgrüne Meditation in Öl verewigte, nicht fehlen. In der aktuellen Schau Wege ins Freie ist das Gemälde nicht zu sehen. Zum einen, weil es derzeit als Leihgabe die Moser-Retrospektive im Wiener Museum für angewandte Kunst schmückt. Zum anderen, weil der Untertitel dieses Mal Von Waldmüller bis Schindler lautet.

Foto: Leopold-Museum / Manfred Thumberger

Es geht also um Landschaften österreichischer Künstler in Romantik und Biedermeier, aber insbesondere um jene der dräuenden Moderne. Zunächst war die Natur Sehnsuchtsraum, bedrohliche, Seelenleben spiegelnde Kulisse, Raum zur Darstellung des einfachen, ländlichen Lebens; dann überwog der Stimmungsrealismus. Es war der Einfluss der französischen Schule von Barbizon, der eine jüngere Generation mit der Staffelei ins Freie trieb.

Dass Landschaft aber innerhalb so kurzer Zeitintervalle Säle füllender Topos im Leopold Museum ist, darf wundern. Erst recht, weil frische oder originelle Zugänge fehlen. Thesenmangel scheint ein generelles Symptom musealen Alltags geworden zu sein. Die brave Themenschau ist eher probates Mittel, um Sammlungsbestände gut durchzulüften.

Theodor Hörmann war nah dran am französischen Imrpessionismus: "Esparsettenfeld I. Studie", um 1893
Foto: Leopold-Museum / Manfred Thumberger

Also keine Fichtenspitzendialoge, sondern gerade Wege, die von den realistischen Postkartenidyllen bis zu atmosphärischen Lichtorgien des Impressionismus führen. Klar, dem Biedermeier-Fotorealismus eines lichtmalenden Ferdinand Georg Waldmüller kann man immer wieder applaudieren. Auch wird man nicht müde, einige Oh-mein-Gotts auszurufen angesichts von Gauermanns irrealen Kitschorgien – etwa mit Pferdchen in der Lichtdramatik eines Mädchenzimmerposters. Hingen solche Bilder einst in aristokratischen Salons?

Weite Himmel

Das Problem ist, dass die Schau vieles andeutet, aber nicht wirklich klar argumentiert oder entsprechend gewichtet. Der prägende weite Himmel der holländischen Meister wäre womöglich eine eigene Ausstellung wert, mit Vergleichswerken von van Goyen bis van Ruisdael. Der Stil Emil Jakob Schindlers wird, obgleich er prägender Lehrer war, trotz zahlreicher Beispiele nicht greifbar. Was ist passiert zwischen einer mythologisch anmutenden Waldszene von 1865 und seinem vermeintlichen Rückgriff auf die Romantik 1889 in Mädchen in Landschaft?

Unter unendlichen Himmeln lässt Otto von Thoren Steppenrinder die Würde heiliger Kühe erlangen ("Heimkehr", um 1865). Der malende Offizier stattete aber auch berittene Hirten mit dem Stolz von Feldherren aus oder würdigte einen alten Schimmel mit einem Porträt.

Foto: Leopold-Museum / Manfred Thumberger

Von Schindlers Privatschülerin Olga Wisinger-Florian erfahren wir, dass sie eigentlich Pianistin werden wollte, aber Handprobleme hatte, später an Brustkrebs litt und langsam erblindete. Von ihrer Kunst sehen wir jedoch nur ein 15 mal zehn Zentimeter großes Beispiel. Wege ins Freie auf dem Holzweg. (Anne Katrin Feßler, 15.1.2019)