Keine Brille mehr, auch kein Bart, und die mittlerweile sehr hohe Stirn sieht man dank der blonden Langhaarperücke auch nicht: Tessa Ganserer ist seit Montag durchgehend eine Frau.

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Eine operative Geschlechtsumwandlung strebt sie nicht an.

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Markus Ganserer ist nun Vergangenheit.

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Es war vor zehn Jahren, als der damalige Markus Ganserer sein "Schlüsselerlebnis" hatte, wie er nun als Frau im Bayerischen Landtag erzählt. Damals zog er ein Kleid seiner Frau, mit der er zwei Söhne hat, an – "und dann wusste ich, dass ich kein Mann bin". Sondern eine Frau. Seitdem quälte er, der 2008 erstmals als Grünen-Abgeordneter in den bayerischen Landtag gewählt worden war, sich damit, im Körper eines Mannes zu leben, aber zu wissen: "Ich fühle und definiere mich als Frau."

Ende vergangenen Jahres hatte sich Ganserer, die nun mit Vornamen Tessa heißt, teilweise geoutet. Sie hatte vor, so sagte sie damals, als männlicher Politiker zu arbeiten, aber ab und zu auch Frau zu sein. Am Montag nun hat sich Ganserer ganz zu ihrer Weiblichkeit bekannt, sie ist nun durchgehend eine Frau. Damit ist die 41-Jährige der einzige sich offen bekennende transidente Mensch in einem deutschen Parlament.

Sie trägt Frauenkleidung, Frauenstiefel und eine blonde Langhaarperücke. Ihre Stimme klingt männlich, sie hat einen bayerischen Akzent, denn sie stammt aus Zwiesel im Bayerischen Wald und ist diplomierte Wald- und Forstwirtin.

Keine Reaktion der AfD

Über ihre bisherige seelische Not, sich bis jetzt nicht zu ihrem Geschlecht bekannt zu haben, sagt Tessa Ganserer: "Es ging einfach nicht mehr anders. Das Leiden war so schwer und hart, dass man das nicht mehr durchhält." Mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hatte sie kürzlich ein "menschlich sehr angenehmes Gespräch".

Aigner versicherte ihr, sie als Frau zu behandeln, auch wenn ihr Vorname formell noch Markus lautet. Die Kollegen und Kolleginnen aus der Grünen-Fraktion hätten Schlange gestanden, "um mich zu umarmen", auch Politiker der anderen Parteien zeigten Respekt und Verständnis. Allein von der AfD sei bisher keine Reaktion gekommen.

Psychologische Gutachten gefordert

Im Namen der Grünen kritisiert Ganserer das ihrer Ansicht nach völlig rückständige Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980. Dieses legt Menschen, die ihr Geschlecht wechseln wollen, Steine in den Weg. So werden für eine Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags etwa im Personalausweis weiterhin zwei psychologische Gutachten gefordert, welche die Betroffenen auch noch selbst bezahlen müssen.

Die Landtags-Grünen sehen dies als Eingriff in die Privatsphäre und halten es für menschenunwürdig. Stattdessen sollte eine Person einfach per Antrag auf dem Standesamt ihr Geschlecht ändern können, denn, so Ganserer: "Geschlechtsidentität ist ein Menschenrecht."

Forderung nach Aktionsplan

Für Bayern verlangen die Grünen einen "Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie". Denn transidente Menschen seien weiterhin vielfach von Alltagsdiskriminierung, Vorurteilen, Anfeindungen und auch gewalttätigen Übergriffen betroffen. Bisher gibt es weitgehend nur ehrenamtliche Beratungsangebote. Tessa Ganserer fordert mit ihren Parteifreunden staatliche Programme und gezielte Prävention. Bayern sei das einzige Bundesland, das bislang keinen solchen Aktionsplan erstellt hat.

Laut Deutscher Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität zählen zwei bis drei Prozent der Bevölkerung zu diesen Gruppen. Intersexuelle sind Menschen, die weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale haben.

Tessa Ganserer sagt über sich: "Das ist ein natürliches Phänomen und keine Modeerscheinung und keine Krankheit." Sie empfinde "weiterhin Zuneigung zu meiner Frau". Auch werde sich ihr Leben "nicht grundsätzlich ändern, ich bin nach wie vor die gleiche Person". Sie appelliert an die "Liberalits Bavariae", die bayerische Liberalität, und meint: "Ich bin mit Leib und Seele Frau – und Politikerin." (Patrick Guyton aus München, 15.1.2019)