Gletscherabbruch an der Antarktischen Halbinsel: Der Beitrag des "weißen Kontinents" zum Anstieg des Meeresspiegels beträgt nach Schätzungen "nur" rund zehn Prozent. In Zukunft könnte dieser Wert steigen.
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Es liegt natürlich an der vom Menschen mitverursachten Erderwärmung, dass der Meeresspiegel steigt. Im Moment sind es laut Schätzungen nur 3,1 Millimeter pro Jahr, doch dieser Wert nimmt zu. Aus diesem Grund ist es so schwierig, genaue Prognosen auch nur bis zum Ende dieses Jahrhunderts in 81 Jahren zu treffen.

Der Weltklimarat IPCC ging in seinem Bericht 2013 davon aus, dass diese Zunahme je nach Szenario zwischen 44 und 74 Zentimeter im Vergleich zum Jahr 2000 betragen wird, im Extremfall rund einen Meter. Jüngere Schätzungen des IPCC-Sonderberichts von Ende 2018 korrigierten diese Werte weiter nach oben.

Dass es noch sehr viel schlimmer werden könnte, legt ein Blick in die Vergangenheit nahe: In der Zwischeneiszeit vor 130.000 Jahren waren die Temperaturen ungefähr so hoch, wie sie für das Ende des 21. Jahrhunderts erwarten werden. Der Meeresspiegel lag damals um vier bis sechs Meter über dem heutigen Niveau. Neben dem Abschmelzen der Eismassen Grönlands hat damals aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Westantarktis besonders viel dazu beigetragen.

Thermische Ausdehnung

Wie aber ist das heute? Laut Schätzungen der Klimaforscher geht der Hauptanteil des Anstiegs der Meere auf die thermische Ausdehnung des Meereswassers zurück (29 bis 55 Prozent). Der Rest verteilt sich auf Grönland (zwölf bis 19 Prozent), die Antarktis (fünf bis elf Prozent) und die übrigen Gletscher (16 bis 26 Prozent). An diesen Angaben könnte sich womöglich noch einiges ändern: Denn laut einer am Montag im Fachblatt "PNAS" veröffentlichten Studie schmilzt das Eis der Antarktis schneller als angenommen.

Konkret fanden Eric Rignot (Universität Kalifornien in Irvine) und Kollegen heraus, dass die Massenverluste in der Antarktis von 40 Gigatonnen pro Jahr in den 1980er-Jahren auf mehr als 250 Gigatonnen in den 2010er-Jahren zunahmen, wobei der Großteil der jüngsten Verluste aus der Westantarktis kam.

Masseverlust trotz Schnees

Die Datengrundlage für diese bisher genaueste Kartierung des antarktischen Eisverlusts stammt aus insgesamt 18 Regionen und berücksichtigt selbstverständlich auch den Umstand, dass in der Antarktis in den letzten Jahrzehnten im Schnitt mehr Schnee gefallen ist als noch im 19. Jahrhundert. Das berichteten zuletzt die Forscherinnen Brooke Medley (Nasa) und Elizabeth Thomas (British Antarctic Survey) im Fachblatt "Nature Climate Change". Dieses Paradoxon dürfte vor allem dadurch zustande kommen, dass auch in der Antarktis die Temperaturen steigen, wodurch die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann.

Unter dem Strich freilich schätzen die Forscher um Eric Rignot, dass seit 1979 die Westantarktis 6,9 Millimeter, die Ostantarktis 4,4, Millimeter und die Antarktische Halbinsel 2,5 Millimeter zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen haben. Von der Antarktischen Halbinsel bzw. ihrem Larsen-Schelfeis war 2017 auch der eine Billion Tonnen schwere Rieseneisberg A 68 abgebrochen:

Der Eisberg A-68 auf einer Aufnahme des Thermal Infrared Sensor (TIRS) des Satelliten Landsat-8 am 20. Juli 2017. Kalte Eisflächen erscheinen grau bis schwarz, wärmeres Meerwasser weiß.
Foto: NASA

Dieser Eisberg spielt für den Anstieg des Meeres übrigens kaum eine Rolle: Schelfeise und dort abkalbende Eisberge schwimmen bereits isostatisch auf.

Mehr Fokus auf die Ostantarktis

Dass die Westantarktis in besonderer Weise unter dem Abschmelzen leidet, ist seit langem bekannt und liegt vor allem an dem warmen zirkumpolaren Tiefenwasser in dieser Region. Überraschend an der neuen Studie ist, dass allem Anschein nach auch die Ostantarktis, insbesondere Wilkesland, in den letzten vier Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag zum Anstieg des Meeresspiegels geleistet hat.

Dort gibt es auch bei weitem das meiste Eis in der Antarktis. Würde sich dort das gesamte Eis verflüssigen, hätte das einen Anstieg des Meeresspiegels um knapp 52 Meter bedeuten. Beim vollständigen Abschmelzen der Eisvorkommen in der Westantarktis läge der Anstieg hingegen bei rund 5,20 Meter. Die Forscher um Rignot argumentieren deshalb, dass diesem Teil der Antarktis künftig mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. (Klaus Taschwer, 15.1.2019)