"Europa muss die Bemessungsgrundlagen festlegen als Richtlinie, nicht die Höhe der Steuersätze", meint Karl Aiginger.

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Wien – Mehr Mut und vor allem Anstrengung in der Klimapolitik fordert Karl Aiginger, Gründer Querdenkereuropa.at., einer Plattform für Europa-Themen, bei der Experten und Universitäten aus aller Welt neue Rezepte suchen. Das Ziel Minus 80 Prozent Treibhausgasemissionen, wie im Pariser Klimaabkommen festgelegt, bedeute die totale Revolution bei den Hauptverursachern Verkehr und Hausbrand/Raumwärme und sei mit voller Energie zu verfolgen, mahnte der frühere Wifo-Chef im Klub der Wirtschaftspublizisten.

Aktionen wie höheres Tempo auf der Autobahn seien da fehl am Platz. "140 km/h auf der Autobahn ist ein kleiner Fehler mit großer Wirkung." Auch in der Steuerreform sei dies ein wunder Punkt. "Wir dürfen den Klimawandel nicht zurückstellen, weil er die Geringverdiener am meisten betrifft. Menschen mit niedrigen Einkommen sind auch die von den Folgen des Klimawandels am meisten Betroffenen." Wenn Ökosteuern auf Autos das untere Einkommensdrittel am meisten belasten, müssten genau diese ärmeren Schichten eben gleichzeitig am meisten entlastet werden.

Kaufpreis amortisiert sich

Über den Lebenszyklus betrachtet sei ein Elektroauto kaum oder nur unwesentlich teurer als eines mit Verbrennungsmotor. Denn der höhere Kaufpreis amortisiere sich in neun bis zehn Jahren, verwies Aiginger auf Berechnungen des Umweltbundesamts.

Nicht nur bei den Klimazielen sieht Aiginger Europa die EU vor großen Herausforderungen. Die Europawahl im Mai sei eine doppelte Wahl: Neben dem Europaparlament werde letztlich auch die neue Strategie gewählt, weil auch die EU-Kommission neu zusammengesetzt wird. Dieses Feld dürfe man nicht den Populisten überlassen. Diese redeten wohl Kooperationen das Wort, aber nicht, wie sie das Miteinander der Mitgliedsstaaten institutionell abbilden würden. Mit Slogans wie "keine neuen Steuern" sei das Thema Vermögenssteuern ebenso wenig zu lösen wie die Sicherung der Sozialstandards. "Europa muss die Bemessungsgrundlagen festlegen als Richtlinie, nicht die Höhe der Steuersätze", sagt Aiginger.

"Brauchen neue Bemessungsgrundlagen"

"Weniger Ungleichheit kann aber nicht stattfinden durch mehr Sozialausgaben und höhere Steuern, sondern über Bildung und Investitionen." Derzeit hingegen werde der Faktor Arbeit am meisten belastet, was gesellschaftspolitisch am schlechtesten, ja "eine Idiotie ist", weil dadurch der Arbeitsproduktivität ein viel höherer Stellenwert zukomme als jener von Rohstoffen und Energieeffizienz. Letztere werde überhaupt viel zu wenig ausgenützt. Maßgeblich für die Vermögensbesteuerung seien die letzten zwanzig Steuererklärungen. "Wir brauchen neue Bemessungsgrundlagen", sagt Aiginger, das eröffne Spielraum für "mehr an Europa". Kontraproduktiv sei das Arbeitsverbot für Migranten. Europa brauche Zuwanderung, aber richtig verteilt – und Investitionen. In manchen Regionen ist die arbeitsfähige Bevölkerung rückläufig. (ung, 14.1.2019)