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Anhänger von Martin Fayulu protestierten am Wochenende in Kinshasa gegen das offizielle Wahlergebnis: Félix Tshisekedi wurde zum Sieger erklärt, obwohl er nur 19 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Foto: Reuters / Baz Ratner

Die "Demokratische Republik" Kongo hat gewählt: Wenn alle Abstimmungen so verlaufen wie in dem Riesenreich im Herzen Afrikas, braucht man sich um die Demokratie auf dem Nachbarkontinent keine Gedanken mehr zu machen. Dann ist sie tot wie ein erlegtes Löwentier, weggeschmolzen wie der Schnee auf dem Kilimandscharo.

Allein in diesem Jahr werden Afrikaner in mehr als zwanzig Staaten des Kontinents zu den Wahlurnen gehen. Sollte ihnen dasselbe widerfahren wie den Kongolesen, können sie auch gleich zu Hause bleiben – oder ihr Heil in Aufständen, in Molotowcocktails und Kalaschnikows suchen.

Mehr als zwei Jahre lang mussten die Kongolesen warten, bis der korrupte Autokrat Joseph Kabila seinen Plan einer unbegrenzten Präsidentschaft endlich begrub und Wahlen ausschrieb – aber: ohne das Resultat des Urnengangs dem Willen des Volks zu überlassen. Populäre Oppositionskandidaten wurden von der Abstimmung ausgeschlossen, andere – so gut es ging – behindert.

Zahllose Tricksereien

Der staatliche Rundfunk berichtete fast ausschließlich über den Kandidaten der Regierungspartei, die Wähler in drei oppositionellen Hochburgen wurden kurz vor der Abstimmung ausgeschlossen. Das betraf immerhin vier Prozent aller Wahlberechtigten.

Auch bei der Auszählung der Stimmen kam es zu unzähligen Tricksereien: Während die 40.000 Wahlbeobachter der katholischen Kirche Oppositionsführer Martin Fayulu klar vorn sahen, zog die Wahlkommission, eine Marionette der kongolesischen Regierung, urplötzlich Félix Tshisekedi als Gewinner aus dem Hut.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Nachdem der Kandidat der Regierungspartei, Emmanuel Shadary, dermaßen weit abgeschlagen war, dass seine manipulierte Inthronisierung blutige Aufstände ausgelöst hätte, setzte Kabila auf Plan B: Der politisch unerfahrene Tshisekedi versprach als Präsident wesentlich gefügiger zu sein als Fayulu.

Wie unverfroren die Wahlkommission beim Kredenzen des Stimmencocktails vorging, zeigt auch das angebliche Resultat der gleichzeitig veranstalteten Parlamentswahlen: Der regierende "Front commun pour le Congo" (FCC) soll viel mehr als die Hälfte der Plätze in der Nationalversammlung errungen haben, obwohl sein Kandidat Shadary bei der Präsidentschaftswahl auf weniger als ein Viertel der Stimmen kam. Als stärkster Kraft im Abgeordnetenhaus steht der Kabila-Front laut Verfassung nun der Posten des Premiers zu: In der "Cohabitation" mit dem FCC – also zwischen Präsident und Parlament – steht Tshisekedi das Schicksal einer "lahmen Ente" bevor.

Weltweites Schweigen

Wer glaubte, derart kaltschnäuziges Stimmengepansche werde einen weltweiten Aufschrei auslösen, sieht sich inzwischen getäuscht: Am Sonntag forderte der Staatenbund im südlichen Afrika (SADC), dem auch der Kongo angehört, nicht etwa den Rücktritt der Wahlkommission und die Annullierung des Urnengangs, sondern die Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit". Ihr soll neben Tshisekedi und Fayulu auch Shadary angehören.

Statt die Feinde demokratischer Willensbildung zu ächten, würden sie mit ihrer fortgesetzten Beteiligung an der Macht auch noch belohnt: ein angeblich diplomatisches Konzept, das allerdings Schindluder mit dem Willen des Volks treibt.

Auch in Simbabwe und Kenia wurde der faule Kompromiss schon praktiziert: immer zum Vorteil der bisherigen Machthaber, die ihre Poleposition in den staatlichen Gremien und an den Trögen auszunutzen wissen.

Dabei müssten die Staatschefs der SADC nur in die Satzung ihres Staatenbundes schauen: Dort sind die Kriterien für faire und freie Urnengänge nämlich glasklar festgeschrieben. Ihre Wahlbeobachter im Kongo hätten längst die rote Fahne hissen müssen. Stattdessen winkten sie die Mutter aller Manipulationen als "realistische Widerspiegelung des Wählerwillens" durch.

Demokratie für alle?

Kein Wunder, dass auch außerhalb Afrikas schon wieder zynische Sprüche laut werden: dass Demokratie vielleicht in entwickelten Staaten die beste Form des Regierens darstelle, dass sie aber in südlicheren Breitengraden mit ihren existenziellen Konflikten überfordert sei.

Demokratie soll demnach etwas für den reichen Teil der Welt sein: Der Rest muss sich darauf gefasst machen, in den Klauen kleptomanischer Autokraten zu landen. Als ob die Menschenwürde nur bis zur Sahara gelte. (Johannes Dieterich, 15.1.2019)