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Bundeskanzler Kurz vor dem Straßburger Plenum.

Foto: REUTERS/Vincent Kessler

Straßburg – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Dienstag ein positives Resümee der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft gezogen. Es sei gelungen, die EU voranzubringen. Österreich werde sich weiter zur Stärkung der EU einbringen, sagte Kurz vor den EU-Abgeordneten in Straßburg.

Es gebe die Herausforderung, dass die EU sehr komplex sei und die Entscheidungsfindung dauere, sagte der Kanzler. Zu dieser Zusammenarbeit bestehe keine Alternative.

Es sei dem Ratsvorsitz gemeinsam mit dem EU-Chefverhandler Michel Barnier gelungen, beim Brexit die Einheit der EU-27 zu wahren. Die EU habe sich nichts vorzuwerfen, betonte Kurz. Selbst wenn die Abstimmung über den Austrittsvertrag heute in London negativ ausgehe, werde die EU weiter entschlossen auftreten.

Im Bereich Migration sei der Vorsitz zu Beginn mit einer schwierigen Blockade zwischen Gegnern und Befürwortern der Verteilung konfrontiert gewesen. Der EU-Vorsitz habe daher einen neuen Ansatz einer verpflichtenden Solidarität anstelle von verpflichtender Verteilung verfolgt.

Appell in Sachen Frontex

Kurz sieht in der Stärkung des Frontex-Mandats in den Bereichen Rückführung und Kooperation einen entscheidenden Schritt. In Bezug auf die externe Dimension nannte der Kanzler die Kooperation mit Ägypten sowie den bevorstehenden Gipfel mit der Arabischen Liga im Februar. Was die personelle Frontex-Aufstockung betreffe, stehe Österreich zu den Vorschlägen der Kommission. Kurz appellierte an die Abgeordneten, ihre eigenen Regierungen von der Aufstockung zu überzeugen.

Die Ankunftszahlen illegaler Migranten seien seit 2015 um 95 Prozent zurückgegangen. Das Sterben im Mittelmeer sei massiv gesunken. "Die Mittelmeerroute ist heute für illegale Migration de facto geschlossen."

Einen Meinungsumschwung im EU-Rat sieht Kurz auch in der Frage einer Besteuerung großer Internetkonzerne. Die große Mehrheit der EU-Staaten stehe diesem Vorhaben positiv gegenüber, ein Beschluss sei aber noch nicht möglich gewesen.

Als Fortschritte nannte Kurz außerdem das hochrangige EU-Afrika-Forum im Dezember in Wien sowie Beschlüsse zur Nachhaltigkeit, etwa das Verbot bestimmter Einweg-Kunststoffartikel, die Einigung auf eine Reduktion von CO2-Emissionen für neue Pkws und schwere Nutzfahrzeuge, die Stärkung des Schutzes am Arbeitsplatz vor bestimmten krebserregenden Stoffen, das Mobilitätspaket und die Verbesserungen des sozialen Schutzes von Fernfahrern sowie die Einigung auf die Einrichtung einer europäischen Arbeitsagentur.

Bei den Verhandlungen zum EU-Finanzrahmen habe der Vorsitz im Dezember eine vollständige Verhandlungsbox übermittelt und bereits eine Grundsatzeinigungen zu rund der Hälfte aller sektoriellen Programme erreicht. Bei der Heranführung der Balkanländer sei es gelungen, die Region stärker in den Fokus zu rücken. Kurz nannte die Lösung des Mazedonien-Namensstreits und die Eröffnung von Beitrittskapiteln mit Serbien und Montenegro. Außerdem hob Kurz die Antisemitismus-Konferenz im November in Wien und entsprechende EU-Schlussfolgerungen hervor.

Kurz dankte der EU-Kommission, dem Europaparlament und den EU-Staaten für die konstruktive Zusammenarbeit und äußerte seine Hoffnung auf eine intensive, aber respektvolle Debatte zur Zukunft der EU im Europa-Wahlkampf. Auch Parlamentschef Antonio Tajani dankte Kurz für die gute Zusammenarbeit während der Ratspräsidentschaft.

Schelte für Migrationspakt-Rückzug

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bezeichnete die Bilanz des österreichischen EU-Vorsitzes als "in jeder Beziehung beeindruckend". 134 Dossiers seien erfolgreich abgearbeitet worden. Er wünsche sich mehr solche Vorsitze mit derartiger Stringenz. Es gebe nur eine Ausnahme, betonte Juncker. Er hätte sich gewünscht, dass Österreich dem Uno-Migrationspakt zugestimmt hätte, "statt negative Signale auszusenden". Er könne diese Entscheidung nicht nachvollziehen, aber Österreich sei auch nicht das einzige Land, dass sich so entschieden habe.

Positiv hob Juncker auch die Geschlossenheit der EU in der Frage des Brexits während der Ratspräsidentschaft hervor: "Dem gebührt Lob." Juncker kritisierte hingegen "die Doppelzüngigkeit des Rates" zum Außengrenzschutz und der Frontex-Aufstockung. "Entweder man hält sich an das", so Juncker, "oder man soll den Mund halten." (APA, 15.1.2019)