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Der kultige Schriftzug am Bauhausgebäude in Dessau.

Foto: Getty Images /typo-graphics

Ein Klassiker aus der Welt des Bauhauses: Wiege von Peter Keler.

Tecta/Hersteller

Noch immer gern gesehen: Sessel "Wassily" von Marcel Breuer.

Knoll/Hersteller

Auch beim "F 51" frönte Walter Gropius der Form des Würfels.

Tecta/Hersteller

Der Name ist gut gewählt. Das Bauhaus ist, wie es klingt: zwei einsilbige klare Wörter, streng, sauber und gut konstruiert. Gemütlich klingt anders. Vor 100 Jahren von Walter Gropius in Weimar gegründet, streckt die Bewegung bis heute ihre Finger nach den Reißbrettern und Computern von Designern, Architekten und anderen Kreativen aus. Das deutsche Feuilleton überschlägt sich seit Monaten mit Geschichten anlässlich des Jubeljahres. In den Kulturgefilden des Nachbarlands führt derzeit nicht der schmalste Pfad am Bauhaus vorbei, das ab 16. Jänner mit zahlreichen Ausstellungen, Symposien und Workshops im ganzen Land gefeiert wird.

Doch wofür genau steht dieses Bauhaus, diese Werkstatt der Moderne, die in ihrem lediglich 14-jährigen Bestehen den Grundstein für eine weltweite Formenrevolution legte, woran auch die Schließung durch die Nazis nichts änderte? Diese verdammten das Bauhaus als "jüdisch" und "bolschewistisch". Zahlreiche Mitglieder und Studierende wählten nach 1933 das Exil und trugen zur Verbreitung des Bauhauses in der ganzen Welt bei. Doch spulen wir zurück.

Die berühmte Schule entsteht 1919 in Weimar, ehe sie 1925 nach Dessau und sieben Jahre später nach Berlin übersiedelt. Walter Gropius träumt von einer neuen Baukunst, die viele Bereiche unter einem Dach vereinen sollte, vom Design über die Architektur bis hin zu Film, Fotografie, Bühnenbild und Textilien.

Die Funktion bestimmt die Form

In seinem Manifest schreibt Gropius, der einige Jahre mit Alma Mahler verheiratet war: "Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! Denn es gibt keine 'Kunst von Beruf'. Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers." Ornamente, Verspieltes, Romantisches, sind für das Bauhaus pfui. Möbel, Alltagsgegenstände, rationelle und industrialisierte Bauten sollten nicht zweckentfremdend verziert sein. Maßgeblich sind die Leistbarkeit und Nützlichkeit eines Produktes, und das für alle.

Auch die zum Einsatz kommenden Materialien sollen das Wesen der Objekte oder Gebäude widerspiegeln und in ihrem ursprünglichen Charakter nicht verändert werden. Die Ästhetik eines Objektes soll durch die Funktion bedingt werden, ein Grundsatz, der bis heute für viele Nachfolger der Bauhaus-Akteure wie László Moholy-Nagy, Ludwig Mies van der Rohe, Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer, Anni Albers oder Paul Klee zum Credo wurde. Das Bauhaus versteht sich von Beginn an als wagemutige Ideenschule und gerät bei all seinen verschiedenen Geistern nicht selten zum streitbaren Experimentierfeld.

Elegant und brauchbar

Es steht für eine elegante, brauchbare Greifbarkeit, die weit über das Behübschen einer Oberfläche hinausgeht. Den Bauhäuslern geht es kurz nach dem Ersten Weltkrieg um nichts Geringeres als um eine neue, allumfassende Gestaltung des Alltags, um Fragestellungen, die bis heute mit den Möglichkeiten der Gegenwart neu interpretiert werden. Der deutsche Designer Werner Aisslinger sagt über das Strenge und Funktionale des Bauhauses: "Es transportiert etwas Urdeutsches, damit knüpft man an die Geschichte an. Dafür steht Deutschland: dass die Dinge funktionieren. Manchmal gelingt es auch, dass die Dinge sogar schön sind. Aber im Prinzip ist es eine funktional denkende Welt."

Das Bauhaus, seine Bauten sind später in Israel ebenso zu finden wie in Afrika oder Südamerika, viele seiner Möbel werden bis heute erfolgreich produziert, symbolisiert längst eine fixe Bild- und Architekturwelt. Beinahe könnte man es mit einer Marke verwechseln. Dabei ist es genau das, was Gropius nicht im Sinn hatte. 1930 schreibt er: "Das Ziel des Bauhauses ist eben kein Stil, kein System, Dogma oder Kanon, kein Rezept und keine Mode! Es wird lebendig sein, solange es nicht an der Form hängt, sondern hinter der wandelbaren Form das Fluidum des Lebens selbst sucht!" Vielleicht ist genau das dem Bauhaus erst gelungen, als es als Institution Geschichte war und Gestalter verschiedenster Epochen und Länder ihre Lehre aus der Bewegung zogen. Man denke nur an die legendären Entwürfe eines Dieter Rams oder als zeitgenössisches Beispiel an die Arbeit von Apple-Designer Jonathan Ive.

Brennglas aktueller Fragestellungen

Der Deutsche Sebastian Herkner, derzeit einer der international angesagtesten Produktdesigner, sieht das Bauhaus als eine der stilprägendsten Designepochen: "Das Bauhaus war mutig und visionär und hatte gänzlich neue Ansätze und Ideen bei der Gestaltung. Heute, 100 Jahre später, sind sie teils noch relevant oder haben sich an unsere Gesellschaft und unsere Anforderungen angepasst und weiterentwickelt."

Politischer geht es Oliver Elser an. Der Kurator am Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main weist aktuell auf einen Skandal hin, der in Österreich kaum beachtet wurde: die Absage des Konzerts der Punkband Feine Sahne Fischfilet, die anlässlich der Feierlichkeiten am Bauhaus Dessau hätte auftreten sollen. Grund der Absage: Angst vor rechter Gewalt! "Als Gegenutopie ist das Bauhaus von den politischen Konflikten der 1920er-Jahre nicht zu trennen, die wir keineswegs überwunden haben, ganz im Gegenteil. Wenn heute wieder rechte Gewalt das Bauhaus bedroht und deswegen ein Punkkonzert abgesagt wird, merkt man plötzlich, dass das Bauhaus kein Museum sein sollte, sondern ein Brennglas aktueller Fragestellungen, nicht nur der Gestaltung", meint Elser.

Ein neues Lebensgefühl

Ziel des Bauhauses war es also nicht nur, gutes Design für alle zu schaffen, nicht nur, einen neuen Ausdruck für Kunst und Architektur zu finden, sondern auch, ein neues Lebensgefühl zu vertreten. Gropius und Konsorten wollten gegen eine Welt von Spießern antreten. Dabei hagelte es nicht selten Kritik gegen den Bauhaus-Purismus. Der bedeutende, aus Wien stammende Architekt Josef Frank hat "eine bestimmte Form von strenger Moderne mit Militarismus in Verbindung gebracht. Vorgaben, die ihn einschränkten, akzeptierte er nicht", wie der Kunsthistoriker Sebastian Hackenschmidt anlässlich einer Frank-Ausstellung im Wiener Mak sagte. Stahlrohrmöbel, wie sie im Bauhaus besonders beliebt waren, sah Frank als "Bedrohung der Menschheit".

Dem Bauhaus wird nicht selten vorgeworfen, mit seiner Totalvermessung am Menschen vorbeidesignt zu haben. Der Zeit-Kolumnist Harald Martenstein, der ein Wochenende in einem Dessauer Bauhaus-Gebäude übernachten durfte, meinte: "Wer in einem Meisterhaus der berühmtesten, einflussreichsten und angeblich besten Baumeisterschule der Welt stressfrei leben will, muss mindestens 1,70 Meter und darf höchstens 1,90 Meter groß sein."

Ein monolithischer Gigant

Unterm Strich ist die Welt des Bauhauses eine ungeheuer weite. Viel zu weit und breit, um neben Platz für Bewunderung eben nicht auch Raum für Kritik zu lassen. Die Direktorin des Wiener Architekturzentrums, Angelika Fitz: "Von Wien aus betrachtet, wirkt das Bauhaus ziemlich dogmatisch, auch wenn die historischen Protagonisten und Protagonistinnen sehr wohl unterschiedlich waren, die Rezeption hat eine 'Bauhaus-Moderne' entstehen lassen, die zum Stil erstarrt ist. Ganz anders die 'elastische' Wiener Moderne im Sinn von Josef Frank, eine Moderne, die Raum für das Leben lässt."

Eines zeigt dieses Jahr mit all seinen Veranstaltungen besonders deutlich: Der Mythos Bauhaus, dieser laut Designlegende und Sprücheklopfer Luigi Colani "monolithische Gigant" ist vor 100 Jahren gekommen, um in all seinen Verästelungen zu bleiben. Freilich nicht allein, aber doch als Denk- und Gestaltungsweise, die ein neues Bewusstsein für Gestaltung in die Köpfe und Stuben der Menschen brachte, auch wenn beim Begriff Bauhaus eine Vielzahl von Menschen eher an Stichsägen, Zementsäcke und Schrauben in Baumärkten am Rande der Städte denken. Doch deren Zahl wird heuer bestimmt ein Stück weit schrumpfen. (Michael Hausenblas, 16.1.2019)