Raskolnikow (Jakob Elsenwenger) hat einen Mord begangen, denkt aber, dass er seine Tat rechtfertigen kann.

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In Dostojewskis Roman Schuld und Sühne verfällt ein Student der Rechtswissenschaften auf die Idee, die Welt verbessern zu wollen. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Niemand will die Welt verbessern, höchstens das eigene gemütliche Umfeld. Und auch bei ihm, er trägt den berühmt gewordenen Namen Rodion Romanowitsch Raskolnikow, handelt es sich am Ende um einen gewiss nachdenklichen, aber doch vor allem von seinen eigenen Interessen durchdrungenen Egomanen, der einfach kein Geld fürs Studium mehr hat.

Die Mutter in der Provinz vermag ihrem Studiosus kein Geld mehr nach St. Petersburg zu schicken. Das finanzielle Problem soll Dunja, Raskolnikows Schwester, durch eine Heirat lösen, die sie nicht glücklich macht. Schändlich, findet der Student in seiner billigen Dachkammer, und sinnt nach einem Ausweg. Rettung geböte das Geld der Pfandleiherin aus der Nachbarschaft. Doch mit welcher vertretbaren Begründung die Alte aus dem Weg räumen?

Ein Haus von Hitlergruß

Im Theater der Jugend schwirrt Jakob Elsenwenger tiefsinnig, aufgebracht, letztlich aber locker in Gestalt Raskolnikows über die Bühne. Er hält die Existenz der geschäftstüchtigen Greisin kurzerhand für lässlich. Es wäre doch für alle – und er meint damit die ganze Welt – besser, wenn Aljona Iwanowna (Sara Livia Krierer) nicht mehr leben würde. Das Geld der ihm verhassten Person würde er in sein eigenes, bedeutsames Fortkommen investieren.

Die Ideologie vom unterschiedlichen Wert der Menschen assoziiert Thomas Birkmeir in seiner Inszenierung im Theater im Zentrum (ab 13 Jahren) mit angedeutetem Hitlergruß mit den Hygienefantasien der Nationalsozialisten. Sonst aber bleibt das Hirngespinst Raskolnikows die Tat eines selbstherrlichen, in die Enge getriebenen jungen Mannes.

Zwiderwurzen

Sein Lebensraum ist von Anfang an von Gitterwänden (Bühne: Andreas Lungenschmid) umgeben und stets in kaltes Licht getaucht. Wie im Käfig sucht Raskolnikow nach einer moralischen Absicherung für seine vorsätzliche, grässliche Tat. Die Rechtslage ist ihm sonnenklar, aber egal. Er ist überzeugt, richtig zu handeln.

In Birkmeirs Bühnenfassung läuft das alles rasant ab. Indes changiert die Erzählung unschlüssig zwischen dem 19. Jahrhundert und heute. Die Figurenzeichnungen, insbesondere bei den älteren Frauen (Aljona, Mutter), erinnern an Zwiderwurzen aus der Märchenwelt. Auch ist nicht klar, warum die Wirtschafterin (Claudia Waldherr) ihren Gast siezt, während Raskolnikow sie munter duzt. Ganz aus heutigem Stoff hingegen: seine vernunftbegabte Schwester Dunja (Kim Bormann).

Provokant cooler Held

Die Bühnenfassung hat den Titelhelden erfreulicherweise nicht dämonisiert, er wirkt im Angesicht der Schwere des Verbrechens geradezu provokant "cool" – eine Gratwanderung, über die sich diskutieren lässt. Am Ende kommt die Inszenierung aber gar bei einem romantischen Finale an. Eine allzu steile Kurve. (Margarete Affenzeller, 16.1.2019)