Ein Aufstieg ist vielen nicht möglich. Das hat auch strukturelle Gründe. Die Industriestaatenorganisation kritisiert, dass Österreich schlechter abschneidet als Deutschland.

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Seit den 1960er-Jahren, als die ersten Gastarbeiter aus Jugoslawien und der Türkei kamen, ist Österreich Zielland großer Migrationsbewegungen. Es gab also jede Menge Zeit für Staat und Gesellschaft, um gute Konzepte für eine funktionierende Integrationspolitik zu entwickeln. Wer einen am Mittwoch präsentierten Bericht der Industriestaatenorganisation OECD zum Thema Integration liest, bekommt allerdings den Eindruck: Die Liste der ungelösten Probleme in Österreich ist ziemlich lang.

Die Pariser OECD widmet sich immer wieder in umfassenden Analysen gesellschaftlichen Herausforderungen, sammelt aus all ihren Mitgliedsländern Daten und versucht diese zu vergleichen. Der nun vorgelegte Report mit dem Titel "Settling In 2018 – Indicators of Immigrant Integration" ist laut Angaben der Organisation die bisher umfassendste Analyse zum Stand der Integration von Zugewanderten.

Ernüchternd aus österreichischer Sicht sind dabei zunächst die Zahlen zu Erfolgen und Misserfolgen junger Menschen aus der sogenannten zweiten Generation, also die selbst in Österreich geboren wurden, aber deren Eltern zugewandert sind. Die OECD definiert diese Gruppe als Personen zwischen 15 und 34 Jahren, bei denen zumindest ein Elternteil nicht in Österreich geboren wurde. Laut OECD schaffen in dieser Gruppe 20 Prozent nur einen Pflichtschulabschluss. Zum Vergleich: Sind beide Eltern in Österreich geboren, liegt der Wert unter acht Prozent.

Die große Kluft

Österreich ist ein Land mit insgesamt niedriger Jugendarbeitslosigkeit. Allerdings: In keinem anderen Land ist die Kluft zwischen Migranten der zweiten Generation und Menschen ohne Migrationshintergrund so groß. Die Arbeitslosenquote ist in ersten Gruppe viermal höher als in der zweiten.

Ebenfalls bedenklich laut einem der Co-Autoren der OECD, dem Migrationsexperten Thomas Liebig, ist die Entwicklung bei den sogenannten NEETs. Unter dieser Gruppe versteht man junge Menschen, die weder eine Ausbildung durchlaufen, noch einen Job haben – die Abkürzung steht für "Neither in Employment nor in Education nor in Training". Der Anteil der NEETS bei Migranten der zweiten Generation ist doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund.

Nun könnten diese Zahlen auf ein generelles Problem hindeuten, das alle Länder gleichermaßen betrifft. Allerdings gibt es in Deutschland zum Beispiel keine so große Kluft, dort ist der Unterschied im Anteil der jungen Menschen, die keine Ausbildung absolvieren und keinen Job haben, zwischen Migranten der zweiten Generation und Menschen ohne Migrationshintergrund nicht so hoch.

Woran das liegt, sagt die OECD-Studie übrigens nicht, diese Fragen zu diskutieren überlässt man damit anderen. Der Migrationsexperte Liebig hat eine Vermutung: Viele Zuwanderer in Österreich leben in Wien, das trifft auch auf die zweite Generation zu. In der Hauptstadt ist die Arbeitslosigkeit deutlich höher als im Rest Österreichs. Das kann einen Effekt haben.

Beim Arbeitsmarktservice AMS hat man in der Vergangenheit zusätzlich öfter betont, dass auch die starke Zuwanderung aus den EU-Ländern im Osten zu einer Verdrängung geführt habe. Junge Ungarn würden den etwas älteren Türken verdrängen, formulierte es einmal sinngemäß AMS-Chef Johannes Kopf.

Die OECD-Berichte sind praktisch, weil sie viele Länder bewerten. Durch diesen Anspruch, unterschiedliche Staaten wie beispielsweise Österreich, die USA, Chile und Australien vergleichbar machen zu wollen, entstehen aber auch methodische Schwierigkeiten.

Mehr Kinder in Kindergärten

Einige Lichtblicke gibt es freilich auch. So ist die Zahl der Kinder zwischen zwei und fünf Jahren, die frühkindliche Bildung erhalten, also in den Kindergarten gehen, seit 2006 in kaum einem anderen Land so stark gestiegen wie in Österreich. Es gilt als wissenschaftlich belegt, dass es für die kindliche Entwicklung im Regelfall von großem Vorteil ist, wenn es nicht nur zu Hause von der Familie, sondern auch in einem Kindergarten betreut wird. Das komme besonders Migranten zugute, sagt OECD-Experte Liebig.

In Österreich wurde 2010/2011 der halbtägige Kindergartenbesuch für Vorschulkinder verpflichtend eingeführt. Und: In allen Gruppen hat es Verbesserungen bei der Lesefähigkeit gegeben, was sich in den Ergebnissen des Pisa-Tests niederschlägt.

Dem gegenüber stehen auch Probleme abseits der jungen Generation von Zugewanderten. Der Anteil der Migranten erster Generation in der Gruppe von Menschen mit der niedrigsten Einkommensklasse sei in Österreich extrem gestiegen, sagt die OECD. Nur in dem Krisenland Spanien war der Anstieg noch stärker. (András Szigetvari, 16.1.2019)