Schlachtfeldgrabungen stellen immer besondere Anforderungen an Ausgräber und Wissenschafter. So auch das historische Schlachtfeld von Wagram, auf dem am 5. und 6. Juli 1809 das österreichische Heer Napoleon und seinen Verbündeten gegenüberstand. Auf solchen Schlachtfeldern sind nicht nur Überreste gefallener Soldaten und Zivilisten, sondern auch Überreste mitgeführter Tiere zu erwarten. Nach bereits mehreren Einblicken in das Geschehen um die menschlichen Überreste soll nun ein Einblick in das Aufgabengebiet rund um die Tierskelette gegeben werden.

Im günstigsten Fall wird ebenfalls bereits auf dem Feld archäozoologische Unterstützung hinzugezogen, wie dies die Grabungsfirma Novetus für die Grabungen auf dem historischen Schlachtfeld Wagram organisiert hat. Die noch laufenden Grabungen unter der Projekt- und Grabungsleitung von Alexander Stagl und Slawomir Konik erbrachten bisher 28 Pferdeskelette, die einzeln, zu zweit, zu dritt oder zu viert, mit oder ohne menschliche Überreste in Gruben bestattet wurden. Hier nun einige Überlegungen und praktische Erfahrungen aus der Zusammenarbeit zwischen Archäologie und Archäozoologie.

Menschliche und tierische Überreste in einer Grube des historischen Schlachtfelds von Wagram.
Foto: Novetus
Teil des Schlachtfelds von Wagram in Raasdorf, freigelegte Grube mit mehreren Pferdeskeletten.
Foto: Novetus
Grube mit vier Pferdeskeletten.
Foto: novetus

Was tun mit den Pferdeknochen?

Pferde sind die Giganten der Haustiere und im Krieg vielfältig einsetzbar. Sterben sie auf dem Schlachtfeld in größerer Zahl und können beispielsweise aufgrund von fehlendem Feuerholz nicht verbrannt werden, müssen sie aufwändig verscharrt werden, sofern ihre Verwesung die Umgebung nicht verunreinigen soll.

Im Auftrag und unter Finanzierung der Asfinag stellte man sich der Aufgabe, auch die Kriegspferde, die im Zuge der Schlacht von 1809 ihr Leben auf dem Schlachtfeld Wagram verloren, sorgfältig auszugraben und zu untersuchen. Die bereits geborgenen Skelette werden derzeit im Naturhistorischen Museum in der archäozoologischen Sammlung der 1. Zoologie ausgewertet.

Beispiel für eine Dokumentationsskizze.
Foto: Novetus

Jedes Individuum wird mithilfe von mir einzeln dokumentiert und geborgen, was die anschließende Bearbeitung und Auswertung des Materials deutlich erleichtert. Es erwies sich als praktisch, die sehr empfindlichen und diffizilen, aber aufgrund der Zähne doch sehr schweren Schädel bereits vor der Bergung mit einem Gemisch aus Klebstoff und Aceton zu festigen. Im Verhältnis von etwa 1:2 wird aus dem Gemisch eine flüssige Paste, die mithilfe eines Pinsels gut aufgetragen werden kann und sehr schnell trocknet. Der nicht sichtbare Auftrag kann, falls erforderlich, wieder vollständig mit Aceton aufgelöst und entfernt werden. Er sollte allerdings nicht mit Wasser gemischt werden, weil sich ansonsten eine weißliche, schwer entfernbare Patina bildet.

Zubereiten der Paste: Zwei Tuben Kleber, in ein Glas mit Aceton aufgefüllt und umgerührt, ergeben eine mit dem Pinsel gut auftragbare Mischung.
Foto: eigenes
Auftragen des Gemischs zur besseren Erhaltung der Schädel; erfolgte oft auch bereits in der Grube vor Dokumentation und Bergung.
Foto: Novetus

Alle Skelettelemente und Individuen werden getrennt geborgen und nach anterior (vorne, kopfseitig), posterior (hinten, schwanzseitig), links- und rechtsseitig differenziert eingesackelt und beschriftet. Ebenfalls als hilfreich erweist sich eine nummerierte Entnahme der Wirbel, da die Restauration der Wirbelsäule im Labor so sehr viel rascher erfolgen kann. Neben der üblichen fotografischen Dokumentation und der Vermessung wurden auch Aufnahmen für digitale 3D-Modelle angefertigt. Diese helfen in den vorliegenden Fällen von Knochenbrüchen beziehungsweise bei beschädigten Skelettteilen zu entscheiden, ob die betreffende Gliedmaße bei Bestattung oder beim Verscharren der Kadaver noch mit dem restlichen Körper in Verbund war.

Digitale Vermessung; in Vorbereitung bereits viele Kisten und Fundzettel für die Entnahme der Skelettelemente.
Foto: Novetus
Getrennte Dokumentation und Entnahme der Pferde und ihrer Skelettelemente.
Foto: Novetus

Schwierige Bergung

Sowohl Freilegung als auch Transport und Reinigung der Giganten stellen verschiedene logistische Herausforderungen. Kopfüber in tiefen Gruben hängend, dauert die Freilegung der sehr viel größeren Skelette deutlich länger als bei menschlichen Überresten. Die Langknochen und Beckenschaufeln finden auch in großen Fundsackerln kaum Platz, und das Skelett kann für den Transport nicht in eine oder zwei Bananenkisten gepackt werden. Üblicherweise wurden pro Pferd sieben bis zehn Kisten gebraucht

Befinden sich in einer Grube sowohl menschliche als auch tierische Überreste, arbeiten Anthropologie und Archäozoologie zusammen.
Foto: Novetus
Gerade im Winter stellt die vorsichtige Freilegung der Knochen mitunter ein schwieriges Unterfangen dar.
Foto: Novetus

Schädel, Becken, Schulterblätter und Wirbelsäule werden aufgrund ihrer Größe und ihrer Empfindlichkeit im Labor beziehungsweise innerhalb der Präparationsräumlichkeiten gewaschen, während die Reinigung der restlichen Elemente auf der Grabung erfolgt. Beides ist begleitet von logistischen Herausforderungen. So wird für das Trocknen der gewaschenen Knochen auf der Grabung ein eigener Baucontainer mit viel Platz gebraucht.

Auch in den Arbeitsräumen des Naturhistorischen Museums wird es während der Reinigungsarbeiten regelmäßig eng. Die mit Luftpolsterfolie geschützten Schädel finden zudem beim Transport gerade so in den Kisten Platz und werden nach dem Transport sorgfältig und aufgrund der verwendeten Leimpaste trocken gereinigt.

Nach dem Zusammenführen und der Restauration aller Elemente werden Alter, Geschlecht und Größe bestimmt und allfällige Pathologien beschrieben, um mehr über den Einsatz des Pferdes im Krieg und, falls ersichtlich, über die Art des Todes herauszufinden. So können beispielsweise aufgrund extensiven Reitens spezifische Abnutzungserscheinungen an Zähnen, Wirbelsäule oder Beinen auftreten. Schuss- oder Hiebverletzungen hinterlassen, falls sie auf Knochen treffen, ebenfalls spezifische Spuren.

Die Vermessung der Pferde

Das Geschlecht wird bei Pferden über das Vorhandensein oder Fehlen von Eckzähnen und Erscheinungsform des Beckens bestimmt. Die Altersbestimmung erfolgt über den Abnutzungsgrad der Schneidezähne, also die Form und Erhaltung der sogenannten Kunden. Die Größe wird über Berechnung der Widerristhöhe anhand spezifischer Faktoren und Abnahme von Längenmaßen ganz erhaltener Knochen ermittelt.

Becken eines Pferdes mit geschlechtsbestimmenden Merkmalen am Pubis.
Foto: Novetus
Schneide- und Eckzähne des Unterkiefers zur Alters- und Geschlechtsbestimmung.
Foto: Novetus

Einige Skelette wurden bereits untersucht und werden aufgrund ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer Größe bisher größtenteils als sogenannte Trosspferde angesprochen. Auch erste Hinweise auf Verletzungen durch Geschoße wie Kartätschen- oder Kanonenkugeln, eventuell auch durch Granatsplitter, ließen sich bereits beschreiben. Nach Beendigung der laufenden Ausgrabung und der archäozoologischen Auswertung soll mithilfe einschlägiger Fachliteratur und der Zusammenarbeit mit Historikern und Archäologen sowie der Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen der menschlichen Skelette durch Hannah Grabmayer über Einsatz und Tod der Pferde in der Schlacht von Wagram diskutiert werden, um anschließend die daraus resultierenden Ergebnisse zu veröffentlichen. (Jane Horvath, 17.1.2019)