Die Macht und die Herrlichkeit: Donald Trump geht als US-Präsident voller Selbstvertrauen seinem Geschäft als Hegemon nach.

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Die Erfolgsgeschichte des Begriffes "Hegemonie" scheint beispiellos. Wer in den vergangenen 70 Jahren in angelsächsischen Ländern Ideengeschichte betrieb, landete unweigerlich beim Lob der Vorherrschaft. Tatsächlich kam, wer das Wirken der USA nach 1945 beschreiben wollte, um den Gebrauch des Hegemonie-Wortes nicht herum. Wer gesonnen war, mit Blick auf Amerika von einem "Imperium" zu sprechen, thematisierte Zwang und Gewalt als Methoden, die unumgänglich scheinen, um Macht auch jenseits des eigenen Territoriums zu sichern.

Das Wort "Hegemonie" stammt natürlich aus der Schatzkammer der Antike. Gemeint war mit ihm ursprünglich etwas Segensvolles: die Führungsrolle eines Stadtstaates innerhalb einer Allianz von Gleichrangigen. In attischen Tagen von Herodot und Xenophon wurde "hegemonia" noch synonym mit dem Wort "arkhe" verwendet. Letzteres spiegelte die "höhere Autorität und bezwingende Erhabenheit" eines Imperiums wider. Herrschaft schien damit auf den Begriff gebracht: Ihre Ausübung war bei Bedarf an Gewaltmittel gebunden.

Liebe zum Konsens

Die Hegemonie besaß von Anfang an den besseren Leumund. Kein Wunder, denn an ihrer Wiege stehen die herzensguten Feen der Überredungskunst und Überzeugungskraft. Der "Hegemon" beansprucht für sich die Führungsrolle, weil er von den von ihm Geführten auf der Grundlage von Konsens anerkannt wird. Das heißt: Wer den Hegemon im Konzert der Gleichgesinnten als Dirigenten akzeptiert, tut dies, weil er sich von ihm segensreiche Wirkungen verspricht, sei es politisch oder ökonomisch, auf innerstaatlicher oder transnationaler Ebene. Oder man beruft sich auf ihn: im Rahmen einer Staatengemeinschaft, deren Balance ausgerechnet von der Weltmacht USA unipolar gewährleistet werden soll.

Das Buch Hegemonie der linken britischen Theorielegende Perry Anderson (80) mutet beinahe wie ein satirischer Reader an. Der Hegemonie-Begriff trat bereits mit Ende des Ersten Weltkriegs einen eindrucksvollen Siegeszug durch die Denkfabriken der Neoliberalen in den Staaten und in Großbritannien an. Vergessen waren nicht nur die beflissenen Debatten deutscher Historiker, die sich das Zustandekommen ihres Kaiserreichs 1871 mit der hegemonialen Kraft des vormaligen Königreichs Preußen notdürftig erklärten.

Von Mussolini ermordet

Den wirkungsvollsten und zugleich folgenreichsten Gebrauch des Hegemonie-Wortes machten jedoch ausgerechnet diejenigen, die sich mit der Verwirklichung der von ihnen angestrebten Herrschaft immer wieder (unfreiwillig) Zeit lassen mussten.

Gemeint sind Revolutionäre wie Lenin, die zur vorletzten Jahrhundertwende der von ihnen gehuldigten Arbeiterschaft zutrauten, nur im Verein mit den Bauern den verhassten Zaren in Russland zu stürzen. Das Verhältnis der Arbeiterklasse zu den mit ihnen verbündeten Klassen sollte das der freundlichen Hegemonie sein. Doch erst der italienische Meister-Marxist Antonio Gramsci, der in Mussolinis Kerker zugrunde ging, prägte das Wort Hegemonie so um, dass es allseits verwendbar wurde. Mit ihr charakterisierte Gramsci nicht mehr nur eine Strategie der Arbeiterklasse, sondern die Stabilität jeder Herrschaft, ganz gleich, von welcher Klasse sie ausgeübt wird. Die Herbeiführung der Zustimmung der Beherrschten gewährt hegemoniale Verhältnisse. Zwang und Konsens tauschen die Plätze. Mitunter sehen sie einander zum Verwechseln ähnlich.

Andersons "Tour d'Horizon" durch 2400 Jahre Hegemonialgeschichte zeigt, dass sich die Linke einen Begriff zur Deutung der Wirklichkeit hat wegnehmen lassen. Schamvoll wurden fortan alle expansionistischen Tendenzen der USA in bloße Anwandlungen einer insgesamt mildtätigen Supermacht umgedeutet. Andersons Abriss über Denker wie Paul Schroeder enthüllt die vor allem beschwichtigende Funktion von Hegemonialdebatten. Im Übrigen steht zu vermuten, dass Donald Trump das Wort Hegemonie nicht im aktiven Wortschatz führt. (Ronald Pohl, 18.1.2019)