Der Österreicher Max Zirngast wurde im September verhaftet, ihm werfen türkische Behörden die Teilnahme an einer terroristischen Organisation vor. Zu Weihnachten wurde er auf freien Fuß gesetzt.

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Am Donnerstagmorgen ist die niederländische Journalistin Ans Boersma aus der Türkei ausgewiesen worden. Boersma ist Korrespondentin für die Wirtschaftszeitung Het Financieele Dagblad. Zwar hatte die 30-Jährige ihre Akkreditierung für das Jahr 2019 erhalten, wurde aber beim Beantragen des Ikamet – wie die Aufenthaltsgenehmigung in der Türkei genannt wird – verhaftet und wenige Stunde später außer Landes gebracht.

Über die Gründe schwiegen sich die türkischen Behörden bisher aus. Zwar habe ihre Abschiebung nichts mit ihrer Berichterstattung zu tun, Boersma aber "stelle ein nationales Sicherheitsrisiko dar" und sei deswegen in der Türkei "eine unerwünschte Person". Boersma erhielt zunächst keine offizielle schriftliche Begründung für ihre Ausweisung. Sie war seit 2016 in der Türkei als Korrespondentin tätig.

Vorwurf falscher Kontakte

Später veröffentlichte ein Regierungssprecher auf Twitter eine Erklärung, wonach die türkischen Behörden Hinweise von ihren niederländischen Kollegen erhalten hätten, dass Boersma Kontakte zu einer terroristischen Miliz, der Jahbat al-Nusra habe. Das ist insofern ein fragwürdiger Vorwurf, da sich die niederländische Regierung zeitgleich für Boersma einsetzte. Auch niederländische Staatsanwälte dementierten laut lokalen Medien den Vorwurf. Weder die niederländische Polizei noch der Geheimdienst wollten dazu aber Stellung beziehen.

Der Fall wirft wieder einmal ein Schlaglicht auf die problematische Lage der Pressefreiheit in der Türkei. Auf dem Index der Pressefreiheit, den die NGO Reporter ohne Grenzen jährlich veröffentlicht, belegt die Türkei mittlerweile Platz 157 – von 180 möglichen Plätzen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Land sogar nochmals zwei Plätze nach unten gerutscht.

Anfang Jänner hatte auch der Deutsche Journalisten-Verband vor Reisen in die Türkei gewarnt. Anlass dafür war die vorläufige Festnahme des Deutschtürken Adnan Sütçü. Er war bei seiner Einreise am Flughafen verhaftet worden, weil er angeblich auf Facebook Beiträge geteilt hatte, die eine Unterstützung von Terrorgruppen nahelegen.

Im September war der österreichische Student Max Zirngast in Ankara verhaftet worden. Der 29-Jährige hat für diverse Onlinemedien Artikel veröffentlicht. Er wurde der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beschuldigt. Als Indizien dafür sah die Polizei Bücher über linke Bewegungen, die man in Zirngasts Zimmer in Ankara beschlagnahmt hatte. Kurz vor Weihnachten war Zirngast freigelassen worden, er darf das Land aber bis zum Prozessbeginn nicht verlassen.

162 inhaftierte Journalisten

Während Korrespondenten und Journalisten mit nichttürkischer Staatsbürgerschaft auf konsularische Unterstützung ihrer Heimatländer oder gar diplomatischen Druck hoffen können, sieht die Lage für die türkischen Journalisten weitaus schlimmer aus. Die Istanbuler NGO P24 führt Buch über die in der Türkei inhaftierten Journalisten. 162 sind es im Moment.

Die Vorwürfe sind stets dieselben: Unterstützung terroristischer Vereinigungen, Terrorpropaganda, Präsidentenbeleidigung. Das Problem ist nicht nur, dass die Beschuldigungen dehnbar bis willkürlich sind – oft dauert es Monate, bis es überhaupt zu einer offiziellen Anklage kommt.

Bedroht war die Pressefreiheit in der Türkei schon immer. Auch vor Erdogan hatten säkulare Militärregierungen diese immer wieder stark beschnitten. In den Anfangsjahren der AKP-Regierung setzte zunächst sogar eine Besserung ein. Massiv verschlechtert aber hat sich die Lage nach dem fehlgeschlagenen Putsch vom 15. Juli 2016. Seitdem geht die türkische Regierung rigoros gegen Kritiker aller Art vor. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 17.1.2019)