Toronto – Wissenschafter schätzen, dass an jedem Tag im Durchschnitt 44.000 Kilogramm an Meteoritenmaterial auf die Erde fällt. Die meisten Brocken geben als in der Atmosphäre verglühende Sternschnuppen allenfalls Anlass für Wünsche. Doch ab und zu sorgt ein größeres Objekt auch für Ungemach. Zuletzt geschah das am 15. Februar 2013, als ein rund 12.000 Tonnen schwerer sogenannter "Superbolide" über dem russischen Ural in der Erdatmosphäre explodierte. Der 20 Meter durchmessende Meteor von Tscheljabinsk verursachte beim Eintritt eine Druckwelle, die zu Schäden an mehr als 3000 Gebäuden führte und annähernd 1500 Menschen verletzte.

Der Barringer-Krater im US-Bundesstaat Arizona zählt mit 50.000 Jahren zu den eher jüngeren Impaktstrukturen auf der Erde.
Foto: APA/AFP/DANIEL SLIM

Im Vergleich zu dem, was in der Jugendzeit der Erde diesbezüglich los war, sind solche Treffer freilich Kinkerlitzchen. Während des sogenannten Late Heavy Bombardments vor rund vier Milliarden Jahren, gleichsam als Nachwehen der Planetenentstehung, ging über die Erde und den Mond ein regelrechter Asteroidenregen aus teilweise kilometergroßen Brocken nieder. Das kataklystische Ereignis brachte nach der vorherrschenden Theorie auch einen Gutteil des heute existierenden Wassers auf unseren Planeten.

Schwere Treffer

In den darauffolgenden Äonen flaute die Bombardierung aus dem All weitgehend ab. Zu gewaltigen Einschlägen kam es allerdings weiterhin. Als bekanntester gilt jener vor 66 Millionen Jahren, der unter anderem den Dinosauriern (mit Ausnahme der Vögel) den Garaus gemacht hat. Etwas kleiner fiel dagegen jener Doppelschlag aus, der vor 15 Millionen Jahren den Süden des heutigen Deutschland traf. Der erste Impaktor mit einem Durchmesser von 1,5 Kilometern schuf das Nördlinger Ries, der zweite, deutlich kleinere, das Steinheimer Becken.

Der Vredefort-Krater in Südafrika gilt als größter und einer der ältesten Einschlagkrater der Erde.
Foto: Nasa

Infrarotaufnahmen von Mondkratern

Nun jedoch zeigt eine aktuelle Untersuchung, dass die Zahl der Geschoße aus dem Weltraum zumindest nach geologischen Zeitmaßstäben zuletzt wieder zugenommen hat, wie ein Team um Sara Mazrouei von der kanadischen University of Toronto im Fachjournal "Science" berichtet.

Hinweise darauf lieferten Infrarotaufnahmen der Mondoberfläche durch die Nasa-Sonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO). Im Unterschied zur Erde, wo die Plattentektonik, Sedimentablagerungen und Erosion die Spuren selbst jüngerer Impakte großteils zum Verschwinden brachten, bleiben derartige Strukturen auf dem Mond selbst nach Hunderten Millionen Jahren noch gut sichtbar erhalten.

Die größten (mehr als 10 Kilometer Durchmesser) unter den jüngeren (nicht älter als eine Milliarde Jahre) Mondkratern.
Foto: Dr. A. Parker, Southwest Research Institute

Nur wenige terrestrische Krater bekannt

Auf der Erde sind hingegen nur rund 190 Einschlagskrater bekannt, mit einer Ausnahme alle jünger als zwei Milliarden Jahre, nur der Vredefort-Krater in Südafrika ist 2,02 Milliarden Jahre alt, schreibt der Impakt-Forscher an der Universität Wien und Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien, Christian Köberl, in "Science" in einem Kommentar zu der aktuellen Arbeit. Nachdem die Erde und ihr Trabant etwa gleich häufig von Asteroiden getroffen werden, konnten die Forscher um Mazrouei aus den LRO-Daten daher auf die jüngere terrestrische Impaktgeschichte schließen.

Die Analyse von 111 relativ jungen Mondkratern mit einem Durchmesser von mehr als zehn Kilometern ergab schließlich, dass auf dem Mond und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf der Erde in den letzten 290 Millionen Jahren deutlich mehr große Asteroiden einschlugen als in den 700 Millionen Jahren davor. Konkret hat sich die Anzahl der Einschläge verdoppelt, vermutlich sogar verdreifacht.

Wie die Mondkrater auf Basis der LRO-Messungen datiert wurden.
Grafik: Rebecca Ghent/Thomas Gernon

Was die Ursache für diesen vergleichsweise dramatischen Anstieg sein könnte, ist derzeit noch unklar. Die Wissenschafter um Mazrouei haben allerdings eine Theorie: Sie vermuten, dass es im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter vor mehr als 300 Millionen Jahren zu einer Serie von Kollisionen von größeren Objekten gekommen sein könnte. Dieses kosmische Billardspiel dürfte schließlich zu einem Trümmerregen geführt haben, der in den nachfolgenden Jahrmillionen bis ins innere Sonnensystem vorgedrungen ist. (tberg, red, 18.1.2019)