Tanz und Drama sprechen ihr Publikum auf unterschiedliche Arten an: über bewegte Bilder und bewegende Sprache. Die Zuschauer entscheiden selbst, was sie daraus machen. Alles ist erlaubt: sich mit- und hinreißen lassen, sinnlich im Erlebnis zu treiben oder nach den Botschaften zu suchen.

In den Künsten gibt es keine Fake-News, sondern nur stärker oder schwächer verschlüsselte Fiktionen. Wenn also ein Choreograf wie Hofesh Shechter zu einem Tanz mit dem Titel Grand Finale einlädt, der als Spiel mit apokalyptischen Szenarien daherkommt, dann verbreitet er keine Nachricht. Denn dass einmal ein Untergang kommen wird, wissen wir spätestens, na ja, seit der biblischen Offenbarung.

Perfekten, poetischen Tanz aus dem fünften Kontinent bringt die Sidney Dance Company mit ihrem Stück "ab [intra]" des Choreografen Rafael Bonachela nach St. Pölten.
Foto: Pedro Greig

Sowohl davor als auch seither hat die Menschheit einiges überlebt. Denn entgegen anderslautenden Behauptungen wird aus der Geschichte sehr wohl gelernt. Aber eben nicht immer das Richtige, weil die Zeichen der Geschichte oft missdeutet werden.

In der Kunst einer Kultur lassen sich verlässlich Stimmungen detektieren, die vom tagesaktuellen Rauschen aus Medien, Werbung und Politik überdeckt werden.

Dazu passt, dass Shechter, der aus Israel stammende Brite, sein Publikum hervorragend in Dynamiken verstricken kann, die bewirken, dass das Gezwitscher von überallher für die Dauer seiner Stücke bedeutungslos wird.

Er bringt den Sound und den Geist der Gegenwart ins Spiel. Seine hervorragenden Tänzer könnten Sinnbilder für uns alle sein. Aber auch Metaphern für Einbildungen in den Köpfen fatalistischer Zeitgenossen: Eh alles egal, feiern wir ab, solange es geht.

Der Umgang mit Bedrohlichem fällt ebenso schwer wie das Verarbeiten von Verlust und Schmerz. Um Trauer zu verkraften, ist es wichtig, sich mit dem eigenen Schmerz zu konfrontieren. Das jedenfalls führen der belgische Regisseur und Choreograf Alain Platel und seine Company Les ballets C de la B zusammen mit ihrem berühmten Landsmann, dem Musiker und Komponisten Fabrizio Cassol, in ihrem Stück Requiem pour L. vor.

Über die Begegnung mit dem Tod wird in dieser Performance das Leben gefeiert, mit poetischen Filmaufnahmen und den Klängen von Mozarts Requiem von 1791, aus denen sich in Performance und Musik ein gewaltiges Panorama entwickelt und zu einem Musiktheater verdichtet, dessen Uraufführung 2018 in Berlin als Sensation gefeiert wurde.

Etwas leichter, aber ähnlich eindrucksvoll verspricht der Doppelabend L'Oiseau de Feu / Exhibition des Ballet Vlaanderen in Kooperation mit dem Tonkünstler-Orchester zu werden.

Verantwortlich für die Choreografie zu Strawinskis Feuervogel und Mussorgskis Bilder einer Ausstellung ist Sidi Larbi Cherkaoui.

Zuletzt ein Blick in Richtung Sommer: Anfang Juni reist die Sydney Dance Company an und zeigt erstmals in Europa das hochvitale Tanzstück ab [intra] ihres Choreografen Rafael Bonachela. (Helmut Ploebst, 19.1.2019)