Ein Linzer Richter beauftragte Mahringers Irak-Recherche – und verwendete sie bisher in drei Fällen.

Foto: Matthias Cremer

Wien / Linz – Seine beiden Gutachten zur angeblich guten Versorgungslage in Afghanistan boten Bundesverwaltungsrichtern in Asylfällen eine Grundlage für Abschiebeentscheidungen in das von Anschlägen gebeutelte Land. Wegen ihrer mangelnden Qualität wurden diese Expertisen zum Skandal: Karl Mahringer, Geschäftsmann mit einschlägiger Erfahrung in Afghanistan und arabischen Staaten, wurde Ende Juli seiner Funktion als gerichtlich beeideter Gutachter in Asylberufungsverfahren enthoben.

Doch herangezogen wird Mahringers Expertise in derlei Verfahren nach wie vor, zwar nicht zur Lage in Afghanistan, sondern zu jener im Irak. Der 64-Jährige hat im Mai 2018 eine im Oktober 2017 von einem Linzer Richter des Bundesverwaltungsgerichts (BvwG) im Auftrag gegebene "Recherche" zur Situation Homosexueller in der arabischen Republik vorgelegt.

"Recherche" bisher dreimal verwendet

Drei Mal sei dieser Bericht in Asylverfahren schwuler irakischer Männer inzwischen herangezogen worden, jeweils von demselben Linzer Bvwg-Richter, sagt Marty Huber von Queer Base, einer Wiener Hilfsorganisation für nach Österreich geflohene Homosexuelle und andere LGBTI-Personen. Zuletzt wurde die "Recherche" in einem für den Antragsteller am 7. Jänner negativ ausgegangenen Fall verwendet.

Der Lebensgefährte des Abgewiesenen kann das nicht verstehen: "Als Homosexueller in den Irak abgeschoben werden bedeutet den Tod", schreibt er in einer Mail. Tatsächlich berichten Menschenrechtsgruppen bis heute von einer Vielzahl von Fällen, in denen schwule Männer im Irak gefoltert und ermordet wurden.

Gespräche mit Schiiten und Sunniten

Mahringers Irak-"Recherche" liegt dem STANDARD vor. Auf 14 Seiten zeichnet er darin ein, wenn schon nicht friedvolles, so doch für Homosexuelle ungefährliches Bild. Bei Gesprächen mit anonym bleibenden, "ranghohen" schiitischen Vertretern sei ihm versichert worden, dass man eine Fatwa des Geistlichen und Milizenführers Muqtada Al-Sadrs aus dem Juni 2016", in der dieser Gewalt gegen sexuelle Randgruppen verpönt habe, "strikt einhalte".

Die sunnitischen Autoritäten hätten ihm gegenüber Homosexualität als "westliches Problem" bezeichnet, das für Muslime nur "geringe Bedeutung" habe. In der Polizei und der Justiz sei er auf die "Grundhaltung 'wir wollen mit solchen Fällen nichts zu tun haben'" gestoßen.

Homosexuellensuche in Bagdad

Mahringers Versuche wiederum, auftragsgemäß die "praktischen Möglichkeiten zur Kontaktherstellung untereinander für Angehörige sexueller Minderheiten" festzustellen gingen schief: "Dem Sachverständigen war es nicht möglich, im Recherchezeitraum in Bagdad Kontakt mit Angehörigen bzw. Vertretern des LGBTI-Community aufzunehmen" , notiert er.

Der von Queer Base und der Deserteursberatung zu einer Stellungnahme beauftragte Islamwissenschafter der Uni Wien, Rüdiger Lohlker, bescheinigt Mahringer ein "in hohem Maß dilettantisches Vorgehen". Dieser habe "Reiseimpressionen" zu Papier gebracht.

In Asylverfahren verwendet werden können diese bis aus Weiteres. Die BvwG-Richter seien in ihrer Beweiswürdigung frei, erläutert ein Gerichtssprecher. Zudem habe Mahringer gegen seine Enthebung am 22. Oktober 2018 berufen. "Bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung ist seine Sachverständigeneigenschaft jedenfalls uneingeschränkt aufrecht. (Irene Brickner, 19.1.2019)