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Australien ächzt unter hohen Temperaturen. Im Süden des Landes kratzt das Thermometer an der 50-Grad-Grenze. Die Feuergefahr steigt massiv.

Foto: Reuters

Die Bewohner von White Cliffs im Outback des australischen Bundesstaates New South Wales dürften am Donnerstag ein Kreuz an die Decke ihrer Höhle gemalt haben. Auf 48,2 Grad war das Thermometer am Nachmittag draußen gestiegen, ein Allzeithoch für die kleine Gemeinde von Opalschürfern 1.000 Kilometer westlich von Sydney. Die Menschen von White Cliffs sind für Extreme gut gerüstet: Sie leben in sogenannten "Dugouts", ehemaligen Opalminen. Wenn keine der farbigen Edelsteine mehr gefunden werden, bauen die Besitzer ihre weitverzweigten Höhlen in aufwendige Wohnungen um. Hier herrscht eine konstante Temperatur zwischen 19 und 24 Grad.

Notstand ausgerufen

So mancher Australier wünscht sich in diesen Tagen, in einem "Dugout" leben zu können. Die Regierung des Bundesstaates Südaustralien musste diese Woche den Notstand ausrufen, weil das Thermometer immer näher in Richtung der 50 Grad-Grenze kletterte. Der Bürgermeister von Port Augusta, Sam Johnson, rief die Einwohner dazu auf, sich in die klimakontrollierte Bücherei zu retten oder ins rund um die Uhr geöffnete Gemeindecafé. Gut klimatisierte Einkaufszentren melden einen Massenandrang.

Primär macht das Büro für Meteorologie einen Hitzestau über dem australischen Inland verantwortlich für die Backofen-Atmosphäre. In Kombination mit natürlichen Klimaereignissen wie dem El-Niño-Vorgang – einer temporären Erwärmung des Pazifischen Ozeans – führe er zu einer "extremen Hitzewelle" über den besiedelten Gebieten der Bundesstaaten Victoria, New South Wales und Südaustralien. Laut dem Meteorologen Rod Dickson wurden vielerorts Rekorde gebrochen.

Hitzewellen gehören zu Australien, so die offizielle Position der australischen Regierung, die auch vom konservativen Premierminister Scott Morrison kommuniziert wird. Die Aussage sei korrekt, sagen Wissenschafter, für einen Kontinent, der zu einem großen Teil aus Wüste besteht. Doch dass in einigen Landesteilen Temperaturen zwischen zehn und 14 Grad über dem Durchschnitt für die Jahreszeit liegen, sei nicht normal.

"Australien erlebt dem Klimawandel bereits" – mit diesen Worten hatte Helen Cleugh, Direktorin des Zentrums für Klimawissenschaften am staatlichen australischen Institut CSIRO, jüngst neueste Forschungsergebnisse vorgestellt. Sie malt eine düstere Zukunft für das Leben auf dem Antipodenkontinent. "Der Stand des Klimagases CO2 in der Atmosphäre ist so hoch, wie wir ihn in den letzten 800.000 Jahren nicht gesehen haben", so die Forscherin. Die Wissenschaft ist sich einig, dass der für die Erderwärmung verantwortliche Anstieg von Klimagasen primär eine Folge menschlicher Aktivität ist: das Verbrennen fossiler Brennstoffe, Landwirtschaft. Wissenschafter und der Weltklimarat IPCC warnen, nur eine sofortige Begrenzung der globalen Temperaturen könne die Welt vor katastrophalen Folgen der Erderwärmung schützen.

Doch gerade Australien, einer der schlimmsten Klimasünder, tut sich schwer mit Klimaschutz. Die Morrison-Regierung hält an Kohle als bedeutendem Exportprodukt fest und ermutigt den Bau neuer Minen. Das bei den Klimaverhandlungen in Paris und Kattowitz gemachte Versprechen, die Emissionen bis 2030 um 26 Prozent zu verringern (gemessen am Niveau von 2005), wird Australien laut Experten kaum einhalten können, solange es nicht bereit ist, drastisch die Verwendung von Kohle zu reduzieren. Das Land generiert 80 Prozent seines Stroms mit dem Verbrennen des Rohstoffs. Energieminister Angus Taylor propagiert jetzt die Subventionierung des Baus neuer Kohlekraftwerke durch den Staat. Denn Privatkapital sehe den Brennstoff und seine Verwendung zunehmend als risikobehaftet, so der Wirtschaftsprofessor und Weltbank-Berater John Hewson zum STANDARD.

Feuergefahr

Laut dem Klimawissenschafter Karl Braganza ist die landesweite Durchschnittstemperatur in Australien seit 1910 um ein Grad Celsius angestiegen. Dieser Anstieg sei aber für die Zunahme der Extreme verantwortlich: höhere Temperaturen und die Zunahme der Feuergefahr. Zudem gingen die Niederschläge seit 1970 um bis zu 26 Prozent zurück. Diese Entwicklung habe zum "Austrocknen großer Gebiete im Süden des Kontinents" geführt – der landwirtschaftlich wichtigsten Region. Prognosen zufolge könnten in wenigen Jahrzehnten ganze Landstriche nicht mehr nutzbar sein.

Die größte Sorge bereitet Wissenschaftern die Erwärmung des Meeres. Laut Cleugh können Ozeane große Mengen CO2 absorbieren. Damit würden sie die Erwärmung der Erde verlangsamen. "Die Folge aber ist die Erwärmung des Meeres", warnt sie. Der Meeresspiegel steigt an – schon heute sind Orte entlang der australischen Küste von Unterspülung betroffen, mit Folgen für die Immobilienindustrie. Der Schaden aber sei das Absterben von Korallen im ökologisch und ökonomisch wichtigen Barrier Reef, dem größten Korallenriff der Welt. Im Rifftourismus sind 60.000 Arbeitsplätze gefährdet. (Urs Wälterlin, 19.1.2019)