Die Auswertung riesiger Datenmengen (Big Data) für Geschäftsideen ist ein Megatrend. Der Immobilienberater CBRE hat eine Anwendung entwickelt, mit der Einkaufszentren oder auch Einzelhändler verfolgen können, wo ihre Kunden herkommen, wann sie sich wo aufhalten und bei welchen Konkurrenten sie noch einkaufen. Auch für Stadtentwickler können die Daten interessant sein.

Grundlage sind die anonymisierten Bewegungsdaten von rund 100 Mio. Mobiltelefonen, großteils aus Europa. Diese kauft CBRE von einer Firma zu, die auf 100.000 verschiedenen Apps – etwa für Online-Navigation oder Wetter – Werbung schaltet und sich dabei die Genehmigung erteilen lässt, die Bewegungsdaten der Nutzer auszuwerten. Wo ein Handy regelmäßig in der Nacht bleibt, ist der "Herkunftsort". Ist es tagsüber meist an einem Ort stationär, so gilt dies als Arbeitsplatz. So lässt sich laut CBRE auch leicht erkennen, ob jemand gerade als Tourist im Ausland ist, was interessant ist, da gerade Touristen spannende Kunden sind.

Bewegungsprofile aller dieser Datenpunkte

"Calibrate", das Programm von CBRE, zeichnet die Bewegungsprofile aller dieser Datenpunkte laufend auf. Der Betreiber eines Einkaufszentrums kann damit erfahren, wie viele seiner Kunden nur bei ihm einkaufen und bei welchen Konkurrenten die anderen zusätzlich ihr Geld ausgeben. Damit könnte man etwa sein Sortiment anpassen, um die Abwanderung in ein bestimmtes Konkurrenzhaus zu stoppen, erläutert Walter Wölfler, Head of Retail Österreich & CEE bei CBRE, im Gespräch mit der APA.

CBRE konnte beispielsweise mit seinen Daten zeigen, dass die Einkaufszentren in Madrid zwischen 45 und 65 Prozent Stammkunden haben, die sonst kein Einkaufszentrum aufsuchen – und welche anderen Häuser die Kunden aufsuchen. 50 Prozent treue Kunden gelten dabei als guter europäischer Schnitt. CBRE konnte aber auch einem österreichischen Einkaufszentrum das Einzugsgebiet seiner Kunden zeigen – was wiederum für gezielte Werbung eine wichtige Information ist.

CBRE kann aber auch zeigen, dass im ausgewählten Zeitraum im Goldenen Quartier in Wien 35 Prozent Touristen und 65 Prozent Wiener unterwegs waren. "An diese Information kommt man sonst schwer", sagt Wölfler. CBRE habe einem Kunden nachgewiesen, dass er über 25 Prozent Touristen im Geschäft hat, nicht unter 5 Prozent wie seine hausinternen Befragungen ergeben hatten. Touristen würden oft nicht teilnehmen an solchen Befragungen, bei der Datenanalyse "wird mit den Füßen abgestimmt", formuliert es Wölfler.

Heat Map

Genau genommen wirft das Programm lediglich aus, wann sich wie viele Handys wo bewegen – und wo diese Handys ursprünglich herkommen. Daraus entsteht eine "heat map" auf dem Stadtplan, also die Häufung von Punkten, die dann erst mit künstlicher Intelligenz und viel Know-how interpretiert werden müssen: Eine Häufung an einem Punkt im unteren Abschnitt der Mariahilferstraße macht erst Sinn, wenn man weiß, dass dort das Kaufhaus Gerngross steht. Die Daten zeigen aber auch, dass an Dienstagen die Kundenfrequenz erst ab 16 Uhr steigt, an Mittwochen hingegen schon ab 14 Uhr und an Freitagen ab 12 Uhr. Mit solchen Informationen ließe sich auch nachweisen, wie die Errichtung einer Fußgängerzone die Kundenströme verändert hat.

Das Know-how dahinter ist aber sehr komplex. Denn zu wissen, dass viele Kunden aus dem 19. Bezirk in Wien kommen, ist eine Sache. Das aber mit der Kaufkraft und der Bevölkerungsstruktur des 19. Bezirks – auch einzelner Grätzel im Bezirk – zu kombinieren, bringt erst den wahren Mehrwert. So kann man mit hoher statistischer Wahrscheinlichkeit gezielt kaufkräftige oder umweltbewusste Kundengruppen herausfiltern und dann nachweisen, wo sich diese bewegen. Genau dort könnte man dann ein Geschäft eröffnen – wenn man auch noch das Wissen mit den richtigen Maklern teilt. Gezielt habe das etwa Microsoft in London mit der CBRE-Software gemacht, sagt Wölfler. Das Unternehmen habe einen Standort im Auge gehabt, sich aber überzeugen lassen, dass das kaufkräftige Zielpublikum woanders ist. "Das Programm hilft, informiertere Lösungen zu finden, weniger aus dem Bauch heraus."

Die CBRE-Anwendung kann auf Daten bis 2014 zurückgreifen und wird den Einkaufszentren und Einzelhändlern in Österreich seit rund einem Jahr angeboten. CBRE Österreich hat sich bemüht, das rasch nach Österreich zu bringen. Hierzulande werden Bewegungsdaten von 15 bis 20 Prozent aller Handys erfasst, also etwa 20 Prozent der Bevölkerung. Voraussetzung ist immer, dass man der anonymisierten Verwendung zugestimmt hat und sein GPS eingeschaltet lässt.

Die Berechnungen werden von einem Spezialistenteam der CBRE in London gemacht. Ursprünglich war der Plan, das zu regionalisieren, das ging aber angesichts der Komplexität nicht. "Das ist kein System, das von selber das perfekte Ergebnis präsentiert", sagt Wölfler, "Big Data ist das eine, aber was wir machen, ist aus den Big Data entscheidungsrelevante Informationen rauszukitzeln. Die Kunst ist weniger, die Daten zu haben, als sie so griffig zu analysieren, dass man zu Empfehlungen für den Kunden kommen kann".

"CBRE nimmt Datenschutz sehr ernst. Calibrate ist anonymisiert und nicht auf einzelne Personen zurückzuverfolgen", betont Wölfler. Selbst Großunternehmen, dessen diesbezügliche Konzernvorgaben äußerst strikt sind, hätten letztlich das System nach eingehender Prüfung für unbedenklich erklärt. (APA, 20.1. 2019)