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Äußerlich ist kleinen Kälbchen ihr Genotyp nicht anzusehen. Erst ein Gentest offenbart, welche Eiweißkombination ihre Milch einmal aufweisen wird.

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Gerhard Reingruber legte im Dienste seines Kuhstalls in den vergangenen zwei Jahren 3000 Kilometer zurück. Heim ins Kremstal kehrte der Oberösterreicher mit jungen Rindern am Anhänger. Was diese ausnahmslos miteinander verbindet: Aufgrund ihrer Genetik ist ihre Milch aus speziellem Eiweiß zusammengesetzt. Schlüssel zu Reingrubers Herde ist nämlich ein Beta-Kasein mit der Formel A2A2. Dieses findet sich auch in der Milch von Schafen und Ziegen. Was es so begehrt macht: Mit ihm lassen sich im Handel Preise erzielen, von denen selbst Biolieferanten nur träumen können.

Das Milchgeschäft ist nichts für Einzelkämpfer. Landwirte hängen vom Wohl der Molkereien und Supermärkte ab. Der Weltmarkt bestimmt die Preise. Wie produziert wird, diktiert zusehends der Handel: Wer dessen Auflagen, etwa rund um die Tierhaltung, nicht erfüllen kann, verliert seine Existenzgrundlage.

Etliche Produzenten, die sich in der Vermarktung auf eigene Beine stellen wollten, scheiterten. Zwei junge Bauernfamilien gehen dennoch seit einem Jahr eigene Wege.

Seinen Eltern gelang es mit der Belieferung von Schulen und Kindergärten, den Erbhof zu erhalten, erzählt Reingruber, der seinen Job in einer Bank aufgab, um sich ganz auf die sogenannte A2-Milch zu spezialisieren. "Ich will damit für meine Kinder eine neue Grundlage schaffen." Ihm zu Seite steht Fritz Wallner, der im Almtal Landwirt im Vollerwerb bleiben will und dafür stets die Direktvermarktung suchte. Aus der Bioproduktion zog er sich aufgrund aus seiner Sicht überbordender Auflagen zurück. Leicht sei es ja nicht, Neues aufzubauen, sagt Wallner. Wäre ihnen mit der Idee aber wer anderer hierzulande zuvorgekommen, "hätt's mich schon geärgert".

Höchste Preise

Seit Februar 2018 ist die Milch ihrer Kühe unter der Marke A2 in den Regalen von Rewe und Spar. Jüngst gründeten sie eine GmbH. Nun holen sie einen weiteren Betrieb an Bord, der den selektierten gemeinsamen Kuhbestand von 90 auf in Summe 140 Tiere aufstockt.

Eine Million Liter Milch wollen sie heuer verkaufen, 400.000 waren es im Vorjahr. Ein Liter kostet zwei Euro. Ziel ist es, sich selbst jeweils 50 Cent auszuzahlen. Das wäre der höchste Preis für konventionelle Kuhmilch in Österreich.

Ihr Vorbild ist der Neuseeländer Corran McLachlan. Er schuf vor 18 Jahren die A2 Milk Company, die mittlerweile an der Börse notiert und groß nach Asien exportiert. Seinen Höchststand erreichte der Börsenwert des Konzerns im März 2018. Kurz zuvor hatte Lebensmittelriese Nestlé A2-Milch für Babynahrung in China lanciert. In Neuseeland mache die Milch mit der speziellen Eiweißform bereits gut ein Zehntel des Marktes aus, sagt Reingruber. Es ist ein Anteil, den er auch in Österreich innerhalb von zehn Jahren für nicht unrealistisch hält. Er ist überzeugt, dass sich in Asien schon jetzt die Nachfrage danach nicht decken lässt.

Strenge Zulassung

Wo ist der Haken an dem Boom? Konsumenten erwarten sich vom reinen A2-Eiweiß bessere Verträglichkeit der Kuhmilch als von einer Mischung aus A1 und A2. Bewiesen ist dieser gesundheitliche Nutzen freilich nicht. Somit dürfen Produzenten ihn auch nicht hervorkehren. Health-Claims – gesundheitsbezogene Aussagen – sind in der EU im Lebensmittelgeschäft nämlich verboten. Es sei denn, die beworbene Ware durchlief zuvor strenge Zulassungsverfahren.

Brauereien scheiterten etwa am Wort "bekömmlich". Danone kam mit der Anpreisung seiner Joghurtdrinks wiederholt ins Fadenkreuz der Aufsicht. "Es ist ein Minenfeld", warnt Franz Sinabell, Agrarexperte des Wifo. Konsumentenschutz habe in der EU hohe Priorität. Wer Nahrungsmittel als gesund bewerben wolle, habe einen weiten Weg vor sich. Bis dahin sei das Geschäft eine Gratwanderung. Um sich den Nutzen von A2 wissenschaftlich untermauern zu lassen, reiche das Kapital hunderter Bauern nicht aus. Der Pflanzenextrakt Stevia etwa habe neun Jahre gebraucht, um als Süßungsmittel in der EU zugelassen zu werden.

Teure Studien

Für Johann Költringer, Chef der Vereinigung der Milchverarbeiter, bewegen sich die A2-Vermarkter auf dünnem Eis. Er vergleicht ihre Milch mit Globuli und Homöopathie. "Die einen schwören darauf, für die anderen ist es Unsinn." Er gönne ihnen den Erfolg, versichert Költringer. "Doch große Molkereien werden sich darauf nicht einlassen." Die Situation in Neuseeland sei zudem nicht nur rechtlich gesehen eine ganz andere als hier.

Eine Studie, die positive Eigenschaften der A2-Milch bestätigen könnte, koste eine Million Euro, brachten Reingruber und Wallner in Erfahrung. "Die Frage ist, ob sie überhaupt anerkannt wird." Die beiden vertrauen daher lieber auf Mundpropaganda abseits "aggressiver Bewerbung". Ihre Erfahrung mit der Milch dürfen Kunden in sozialen Medien, nicht auf der Website der Landwirte teilen. Was Exporte nach Asien betrifft, bleiben die zwei auf dem Boden. "Das ist uns noch um Nummern zu groß." (Verena Kainrath, 21.1.2019)