Die hartnäckigen Gelbwesten-Proteste durchkreuzen die Charmeoffensive Macrons.

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150 ausländische Konzernchefs folgten am Montag der Einladung nach Versailles. Die meisten von ihnen legten dabei einen Zwischenstopp auf dem Weg zum Wirtschaftsforum in Davos ein. Doch seltsam: Das französische Präsidialamt hängte die Charmeoffensive für globale Spitzenmanager nicht an die große Glocke. Bekannt wurde nur, dass Marken wie Toyota und Novartis, Google und Facebook, Allianz und BMW vertreten waren.

Vorerst wurden auch keine Neuinvestitionen bekannt – anders als vor einem Jahr, als die Firmenchefs bei einem ersten Treffen 3,5 Milliarden Euro an Investitionen "mitgebracht" hatten, was der Schaffung von 2.200 Stellen entspricht. Danach war Präsident Emmanuel Macron selber nach Davos geeilt, um im besten Englisch zu verkünden: "France is back!"

Gelbwesten machen weiter Druck

Diesmal reist Macron nicht in die Schweizer Berge. Der Grund ist wohl ein politischer: Der Präsident steht im eigenen Land unter starkem sozialpolitischem Druck, und die seit zehn Wochen andauernden Proteste der Gelbwesten wollen nicht abreißen. Auch im Stadtzentrum von Versailles waren am Montag einige zu sehen, etwa bei einer Kundgebung der kommunistischen Gewerkschaft CGT. Spruchbänder forderten die "Abschaffung der Geschenke für die Reichen", konkret die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, deren Senkung durch Macron ein Grund für die Revolte war.

Der Staatschef ist den Protestierenden bereits entgegengekommen und hat ihnen vor Weihnachten steuerliche und andere Zugeständnisse in Höhe von zehn Milliarden Euro gemacht. Die Senkung der Körperschaftssteuer für Großunternehmen hat er vertagt. Für die nächsten Wochen plant er zudem eine Digitalsteuer auf die in Frankreich erzielten Umsätze der sogenannten "Gafas" – Google, Amazon, Facebook, Apple, aber auch Microsoft und Uber. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hat klargemacht, dass Frankreich die Steuer einführen wird, wenn die EU ihr entsprechendes Projekt nicht bis März umsetzt. Auch dieser nationale Alleingang ist letztlich eine Antwort an die Gelbwesten, die die Steueroptimierung der großen Digitalkonzerne als fiskalische Ungerechtigkeit anprangern.

Neue Fragen nach der Sicherheit

Macron hatte am Montag die nicht ganz einfache Aufgabe, diese Umstände den weitgereisten Konzernbossen zu erklären – darunter pikanterweise gerade auch den Vorstehern von Microsoft und Uber. Auch sie dürften die Bilder der gewalttätigen Proteste auf den Pariser Champs-Elysées gesehen haben. Im Wirtschaftsministerium räumen Berater ein, dass sich ausländische Investoren neuerdings auch nach der körperlichen Sicherheit in Paris erkundigen.

Solche Fragen stellen auch britische Firmen, die in Paris Brexit-bedingt besonders umworben werden: Mit einer großangelegten Kampagne versuchen die Behörden der französischen Hauptstadt, ganze Belegschaften von der Londoner City an die Seine zu locken.

In Versailles wollte Macron beim Dîner an einem reich gedeckten Tisch zweifellos die bisherigen Reformen herausstreichen: Seit seiner Wahl vor anderthalb Jahren hat der junge Präsident nicht nur die Vermögenssteuer auf Kapitalanlagen gestrichen, sondern auch das Arbeitsrecht gelockert und eine Flattax auf Kapitalerträge eingeführt. Als Nächstes plant er zwei – ebenso liberale – Reformen der Arbeitslosenversicherung und des Pensionssystems. Und auch die umstrittene Digitalsteuer wird für die Versailler Gäste als gar nicht so einschneidend präsentiert: Sie bringe jährlich höchstens 500 Millionen Euro ein, meinte ein Minister am Montag hinter vorgehaltener Hand; das wiege kaum die Nachteile auf.

Großer Empfang am Tag der Hinrichtung

Dass die Regierung nach außen einen ganz anderen Diskurs führt, bleibt natürlich nicht verborgen. Viele Franzosen haben den Eindruck, dass Macron ihnen und den Konzernchefs nicht dasselbe sagt. Der Präsident wird durch den Versailler Empfang nicht populärer. Die Zeitung "Le Parisien" konnte sich am Montag die Bemerkung nicht verkneifen, dass der große Empfang im Königsschloss auf den gleichen Tag – einen 21. Jänner – fiel, an dem Ludwig XVI. im Revolutionsjahr 1794 das Schafott bestieg. (Stefan Brändle, 21.1.2019)