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Matteo Salvini möchte kein "Komplize der Schlepper" sein.

Foto: REUTERS/Remo Casilli

In der Nacht auf Montag konnte wenigstens eine weitere Tragödie verhindert werden: Etwa hundert Flüchtlinge, die 60 Seemeilen vor Misrata an der libyschen Küste in Seenot geraten waren, wurden von einem Frachter aus Sierra Leone an Bord genommen. Den ersten Notruf hatte die Hilfsorganisation Alarm Phone, die Seenotfälle meldet, schon zehn Stunden zuvor erhalten. Die Organisation wandte sich an die Behörden Maltas und Italiens, die erklärten, die Migranten befänden sich in der libyschen Seerettungszone. Die libysche Küstenwache hat die Anrufe von Alarm Phone jedoch nicht entgegengenommen.

Laut italienischen Medienberichten war eine persönliche Intervention von Premier Giuseppe Conte erforderlich, damit sich die Libyer endlich der halb erfrorenen Flüchtlinge auf dem Meer annahmen. Weil die Boote der libyschen Küstenwache angeblich mit anderen Rettungsaktionen beschäftigt waren, schickte Tripolis den Frachter zu den Schiffbrüchigen – und dieser transportierte sie zurück nach Misrata, von wo aus sie geflohen waren. Sie befinden sich also wieder in dem Bürgerkriegsland, in dem Milizen Foltergefängnisse für Migranten betreiben, um von deren Angehörigen Lösegeld zu erpressen.

Bei zwei anderen Havarien sind die Helfer am Wochenende zu spät oder gar nicht gekommen: Am Freitag ertranken 117 Migranten vor der Küste Libyens. "Nach zehn bis elf Stunden Fahrt begann dem Boot die Luft auszugehen, und es fing an zu sinken. Die Menschen fielen ins Meer und ertranken", sagte Flavio Di Giacomo von der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Ein weiteres Drama hatte auf der "Spanienroute" 53 Todesopfer gefordert, wie das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR mitteilte.

Seit die Regierung in Rom die Häfen für private Rettungsschiffe geschlossen und die eigene Küstenwache in die italienische Seerettungszone zurückbeordert hat, befindet sich im zentralen Mittelmeer nur noch ein Rettungsschiff: die Sea Watch 3 der gleichnamigen deutschen Hilfsorganisation. Diese hat am Wochenende 47 Flüchtlinge gerettet – und weiß einmal mehr nicht, welchen Hafen sie mit ihnen anlaufen darf.

Italiens Häfen geschlossen

Italiens Innenminister Matteo Salvini hat umgehend erklärt, dass die Häfen geschlossen blieben und dass die Sea Watch die Migranten ja "nach Hamburg oder Berlin" bringen könne. Auch auf die libysche Küstenwache, die 2018 tausende Flüchtlinge im Mittelmeer abgefangen und nach Libyen gebracht hat, können die Schiffbrüchigen nicht zählen: Die Kämpfe zwischen den Milizen in Tripolis sind wiederaufgeflammt.

Von einer funktionierenden staatlichen Ordnung kann in dem Land keine Rede sein. Es ist nicht einmal klar, welchem Kommandeur die von der EU mit über 300 Millionen Euro finanzierte und von Italien ausgebildete Küstenwache überhaupt untersteht.

Mit der schon von der Regierung Gentiloni eingeleiteten Aufrüstung der libyschen Küstenwache und der von Salvini umgesetzten Hafenschließung für NGO-Schiffe konnte die Zahl der Bootsflüchtlinge in Italien im vergangenen Jahr drastisch gesenkt werden: Wurden 2017 noch 120.000 Migranten registriert, waren es 2018 nur noch 23.000. Die Zahl der Toten im Mittelmeer reduzierte sich von 3200 auf 2300. Salvini zeigte sich denn auch unbeeindruckt von den neuen Dramen: "Je weniger Migranten losfahren, desto weniger Tote gibt es. Die Häfen bleiben geschlossen. Ich werde mich nicht zum Komplizen der Schlepper machen", twitterte er. (Dominik Straub aus Rom, 21.1.2019)