Nach der Ära Gürtler wird Sonja Klima, frühere Kanzlergattin und Präsidentin der Ronald-McDonald-Kinderstiftung, die Geschicke der Spanischen Hofreitschule lenken.

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Als Elisabeth Gürtler 2007 die Leitung der Spanischen Hofreitschule und des Bundesgestüts Piber übernahm, waren beide gerade einmal sieben Jahre aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert. Die junge Gesellschaft öffentlichen Rechts war damals arg gebeutelt: Verluste, unvorteilhafte Verträge, ein problembehafteter dritter Standort am Heldenberg und personelle Unordnung in der Reitbahn.

In dieser Situation traten Gürtler und Erwin Klissenbauer erstmals als Doppelspitze die Geschäftsführung an. Ihr Geschäftsplan folgte im Wesentlichen den Empfehlungen einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft und dem von ihren Vorgängern eingeschlagenen Weg. Das Kerngeschäft, vor allem die Präsentationen klassischer Reitkunst in Wien und auf Gastspielreisen, sollte intensiver betrieben, Nebengeschäfte getätigt werden. Die traditionell gewohnt hohe Qualität der Reiterei und Zucht war selbstverständlich.

Hohes Prestige

Unterstützt und kontrolliert wurde das Duo durch einen Aufsichtsrat, dem zwar Wirtschaftsfachleute, Beamtenadel und Amateurreiter, aber weder Kulturmanager noch Vertreter der klassischen Reitkunst angehörten. Die "Spanische" und das Gestüt Piber, das sich von einem gewöhnlichen Zuchtbetrieb deutlich unterscheidet, sind indes Kulturbetriebe, die nicht den üblichen wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Ihr Wert liegt in der Umwegrentabilität ihres hohen Prestiges, das es unbedingt zu wahren gilt! Dessen ungeachtet wurde, koste es, was es wolle, eine ausgeglichene Bilanz angestrebt.

Das Kerngeschäft, für das heute mehr Pferde zur Verfügung stehen, wurde intensiv betrieben. Während die Nachfrage an Gastspielreisen, womöglich schon aufgrund der gesunkenen Qualität der Vorführungen, in letzter Zeit nachgelassen hat, sind die Vorführungen in Wien immer noch ausverkauft. Ihre Zahl wurde durch Gürtler und ihren Vorgänger von 26 auf 84 pro Jahr erhöht. Das Programm wurde stark gekürzt und die Schulquadrille, traditioneller Höhepunkt und Schluss einer Vorführung, von 20 Minuten Dauer auf die Hälfte reduziert. Die Schulpferde, die bei jeder Vorführung Höchstleistungen erbringen, sind trotzdem an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angekommen.

Quantität statt Qualität

Der Einsatz des reitenden Personals, das alternierend an zwei Standorten arbeitet, wurde flexibilisiert. Die Vorführungen werden von ständig wechselnden Mannschaften bestritten. Programmpunkte, bei denen es auf die Abstimmung der Reiter untereinander und den stimmigen Gesamteindruck ankommt, haben unter dieser Flexibilisierung enorm gelitten. Aus diesen und weiteren negativen Umständen, unter denen Personal und Pferde seit Jahren arbeiten, erklärt sich das gesunkene Niveau der Reiterei, für das die Bereiter wenig Verantwortung tragen und vor dem die erfahrenen Oberbereiter und externe Fachleute immer gewarnt hatten.

Da die Zahl der Vorführungen nicht weiter erhöht werden kann, wird aktuell in der denkmalgeschützten Reithalle vor der Hofloge eine Zuschauertribüne erbaut, damit 70 zusätzliche Sitzplätze entstehen, somit 70 zusätzliche Karten verkauft werden können. Es geht um Quantität, sprich Geld, nicht um Qualität!

Dramatisch ist die Situation beim Personal. Nach einigen Abgängen ist die Equipe auf überwiegend jüngere, wenig erfahrene Bereiter und Bereiteranwärter reduziert. Auch in Piber haben jüngst zwei wichtige Experten, der Zuchtleiter und der Gestütsleiter, ihre Funktionen "im Einvernehmen mit der Geschäftsführung" zurückgelegt. Wie kann ein Betrieb funktionieren, wenn ihm die erfahrensten Mitarbeiter davonlaufen?

Starke Kommerzialisierung

Die dritte Amtszeit von Gürtler und Klissenbauer markierte den Höhepunkt der Kommerzialisierung. Die Hofreitschule hat ihren legendären Ruf in der internationalen Reiterwelt eingebüßt. Wenn die Kulturnation Österreich sich einen ihrer wichtigsten Botschafter in Zukunft sichern will, reicht es nicht aus, die klassische Reitkunst, die Hofreitschule oder die Lipizzanerzucht unter gesetzlichen Schutz zu stellen. Dazu bedarf es einer sachkundigen Geschäftsführung, die eine Kulturinstitution angemessen leiten, traditionsbewusst, zeitgemäß und zukunftsorientiert führen kann. Fähige Personen für die Führung einer solchen Institution hätte es unter dem Dutzend Bewerbern, wohl gegeben – sie scheinen aber politisch wenig Interesse erweckt zu haben.

Spielball der Politik

Hier liegt das Hauptproblem: Eine historische Reitakademie darf nicht Spielball der Politik sein, nicht in die Geiselhaft der "Seitenblicke"-Society gelangen und keinesfalls zur Spielwiese von Günstlingen werden! Die Hofreitschule braucht keine bunten Schmetterlinge, sondern "graue Mäuse", die mit Fleiß, Geschichtsbewusstsein und Demut vor dem Pferd klassisches Gedankengut und traditionelles Können pflegen und ihr hoffentlich irgendwann wieder zu altem Glanz – wie in den Tagen eines Hans Handler – verhelfen. Sonja Klima hat nun die Chance, fähige Berater zu wählen und den erforderlichen Kurswechsel einzuleiten.

Diese einzigartige Institution ist heute, genau ein Jahrhundert nach der Übernahme durch die Republik Österreich 1918, in ihrer Existenz schwerer als jemals zuvor gefährdet. Eine weitere merkantil-populistische Geschäftsperiode auf Kosten der klassischen Reitkunst wäre ihr Ende. (Friederike Bubenheimer-Erhart, 21.1.2019)