Grieve führt eine Gruppe von über 20 Tories an, die den Austrittsprozess aus der EU vorübergehend stoppen will.

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Wenn der konservative Abgeordnete Dominic Grieve im Londoner Unterhaus "Take back control" skandiert, dann meint er nicht wie die vielen Brexiteers im Land, dass Großbritannien wieder die Kontrolle über die eigenen Belange von der EU übernehmen soll. Er bedient sich vielmehr mit einem Augenzwinkern des Slogans der Brexiteers und meint genau das Gegenteil: Die Parlamentarier sollen von der Regierung wieder Kontrolle übernehmen, um einen Brexit zu verhindern. Alles, was er tue, betont er, tue er, um dem Parlament im Brexit-Prozess so viel Kontrolle wie möglich zu verschaffen.

Und so avanciert der 62-jährige Jurist zu einem der schärfsten innerparteilichen Gegner von Theresa May. Er führt eine Gruppe von über 20 Tories an, die den Austrittsprozess aus der EU vorübergehend stoppen will. Der ruhige Grieve galt bisher so gar nicht als Rebell. Doch der Brexit, den er von Beginn an ablehnte, stellt vielerorts im Vereinigten Königreich die Uhren auf null.

Aus gutbürgerlichem Hause

Grieve wurde in einer bürgerlichen Familie im Süden Londons geboren. Auch sein Vater war Unterhausabgeordneter, seine Mutter Halbfranzösin. Er ist einer der wenigen Abgeordneten, die Interviews auf Französisch geben. Er absolvierte die renommierte Westminister School und studierte Geschichte an der Elite-Uni Oxford. Ein Jus-Studium hängte er dran. Schon damals, Ende der 1970er, war er Chef der Konservativen Vereinigung in Oxford.

Ende der 1990er-Jahre schaffte er schließlich als Abgeordneter des Londoner Bezirks Beaconsfield den Einzug ins Parlament. Und zehn Jahre später schaffte er den Sprung in die Regierung. Von 2010 bis 2014 war der Vertraute des damaligen Premiers David Cameron Generalstaatsanwalt, der oberste Rechtsberater der Regierung mit Kabinettrang.

Kaum Schlagzeilen bisher

Dabei sorgte der Vater von zwei Söhnen – seine Frau ist Anwältin – selten für Schlagzeilen. Vielleicht am ehesten 2013, als er sich als einer von vier Kabinettsmitgliedern der Stimme enthielt, als über die gleichgeschlechtliche Ehe abgestimmt wurde. Oder weil sein Vermögen jüngst auf etwa 3,5 Millionen Euro geschätzt wurde – er soll an Unternehmen, die in Simbabwe und Pakistan tätig sind, mitverdient haben.

Ansonsten war es bisher still um Grieve. Als seine Hobbys nennt er Wandern, Skifahren und Bootsfahrten auf der Themse. Mit der Ruhe ist es jetzt vorbei. Der Brexit hat aus dem eigenwilligen Konservativen einen Rebellenführer gemacht. (Anna Sawerthal, 21.1.2019)