Exakt 56 Jahre nach Unterzeichnung des Elysee-Vertrages wollen Deutschland und Frankreich einen neuen Freundschaftspakt besiegeln. Im Krönungssaal des historischen Aachener Rathauses wollen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron am Dienstag (10.40 Uhr) ihre Unterschriften unter einen neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag setzen.

Der Vertrag von Aachen sieht eine engere Zusammenarbeit in der Wirtschafts-, Verteidigungs- und Europapolitik vor. Geplant sind ein "deutsch-französischer Wirtschaftsraum" ohne bürokratische Hürden und gemeinsame Regeln für Rüstungsexporte.

Die Regierungen in Berlin und Paris haben sich kurz vor der Vertragsunterzeichnung auf eine Liste von rund 15 Projekten verständigt, deren Umsetzung sofort angegangen werden soll (siehe "Wissen" unten). Die am Montag akkordierte Aufstellung enthält auch das Vorhaben, das umstrittene Atomkraftwerk Fessenheim im Elsass endgültig abzuschalten.

AKW im Elsass vor Aus

Frankreich hat das Ende von Fessenheim zwar grundsätzlich beschlossen, dazu aber bisher nur einen Zeitrahmen bis 2022 genannt. Das Atomkraftwerk in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze ist das älteste noch laufende Kernkraftwerk Frankreichs. Kritiker betrachten es seit Jahrzehnten als Sicherheitsrisiko.

Neben Fessenheim stehen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) grenzüberschreitende Bahnprojekte und der gemeinsame Einsatz für EU-Standards zur Regulierung von Finanzdienstleistungen auf der Liste der Projekte mit hoher Dringlichkeit. Hinzu kommen demnach die Ausweitung der Arbeit des deutsch-französischen Jugendwerks, gemeinsame Kulturinstitute in bestimmten Ländern und die Einrichtung einer hochrangigen Arbeitsgruppe zur Energiepolitik.

Daneben gibt es nach dpa-Informationen eine lange Liste von mehr als 100 Projekten, die als mehrjährige Vorhabenplanung für die nächste Sitzung des deutsch-französischen Ministerrats vorbereitet werden. Diese Liste sei derzeit noch in der Abstimmung zwischen Berlin und Paris, hieß es weiter. Der neue Vertrag sieht eine solche mehrjährige Vorhabenplanung vor.

Parlamente stimmen ab

Der Aachener Vertrag muss noch von den Parlamenten beider Länder ratifiziert werden. Das Vertragswerk hat in beiden Ländern innenpolitisch starke Unterstützung, die rechtspopulistischen Parteien "Rassemblement National" (RN) und Alternative für Deutschland (AfD) sehen es aber äußerst kritisch. Während RN-Chefin Marine Le Pen eine "Bevormundung" durch Deutschland befürchtet, sieht die AfD finanzielle Interessen hinter der Zuneigung Frankreichs.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas hat angesichts der Zunahme von Nationalismus und Populismus in der Welt zu einem noch engeren deutsch-französischem Schulterschluss aufgerufen. "Heute gibt es kein Land, dem wir enger verbunden sind als Frankreich. Aber wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen", schrieb der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag in der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag).

"Wir stellen die deutsch-französische Freundschaft in den Dienst eines starken, handlungsfähigen Europas. Wir laden alle Partner und Freunde ein, gemeinsam mit uns für eine friedliche, gerechte Welt und die regelbasierte internationale Ordnung zu kämpfen", schrieb Maas weiter.

Beistandspflicht

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wertete den neuen Freundschaftsvertrag als Startschuss für eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik. "Der neue Vertrag bindet jetzt unsere Sicherheitspolitik enger zusammen denn je: Wir analysieren die Gefahren für unsere Länder in einem gemeinsamen Sicherheitsrat, organisieren Rüstungsfragen gemeinsam und schreiben eine gemeinsame Beistandspflicht fest", sagte von der Leyen den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Dienstagsausgabe). Die Erfolgsgeschichte Europas müsse "nun in der Außen- und Sicherheitspolitik fortgeschrieben werden", sagte von der Leyen weiter. "Das erwarten auch die Bürger von Europa als starker Gemeinschaft in einer immer unübersichtlicheren Welt." (APA, 22.1.2019)