"Fahr ma zur Marie-Claire oder auf ein Ralph-Lauren-Polo in die Stadt?" Die Band Kahlenberg veröffentlicht ihr Album "Dirty Penzing".

Foto: Kahlenberg

Möglicherweise muss man für diese Band eine neue Schublade aufmachen. Als Etikett darauf böte sich Schnöselpunk an. Oder Bank-Rock. Widersprüche eigentlich, aber gerade das ist der Schmäh. Wenn Frank Hoffmann im Song Mozart ein Döblinger "Neeein" aus seinem HNO-Intimbereich entfährt, erfüllen sich diese Begriffe schnell mit Leben. Der Bandname besorgt den Rest: Kahlenberg.

Diesen Donnerstag präsentiert die Gruppe ihr Debütalbum im für sie milieufremden Gürtelclub Chelsea, kommende Woche erscheint die Platte. Kahlenberg haben sich einem verwegenen Image verschrieben: den gespreizten Sprössen aus der höheren Vorstadt.

Das Leben ist ein Damenspitz: Mozart.
Kahlenberg Band

Dort, wo nicht der Mundl Raketen in Nachbars Suppentopf versenkt, sondern Juristengschrappen zum Brunch die Korken knallen lassen. Hernach geht es mit einem Exponat aus Papas Porsche-Sammlung rüber zum Albert, dann werden die Katharina und die Marie-Claire aus ihren Villen eingesammelt, um wahlweise am Tennisplatz Staub aufzuwirbeln oder sich mit Shopping in der Innenstadt zu zerstreuen. Doch halt!

Aus dem Klischeehandbuch

Zwar inszenieren sich Kahlenberg mit hellblauen Pullis und rosa Hemden wie Watschengesichter aus dem Klischeehandbuch. Musikalisch bringen sie die ausgestellte Schnöseligkeit aber mit einem Hang zum kontrollierten Lärm wieder in Balance. Da bemühen Kahlenberg eine Sprache, die die Perlenkettentante in die Spontanohnmacht treiben würde. Wo ist das Riechsalz?

Feine Zusammenkünfte

Kahlenberg spielen mit Klischees. Ihre Songs heißen Höhenstraße, Tennis oder Opernball. In schnittigen Dreiminütern behandeln sie Wiens feinste Zusammenkünfte. Der Blick hinter die Fassade fördert meist Schröckliches zutage. Pikiertheit, die Faszination am Schrecken – darin gehen ihre Songs voll auf und ab.

Über die Höhenstraße ohne Licht: Kahlenberg.
Kahlenberg Band

Im richtigen Leben stammen die fünf Herren nicht (ausschließlich) aus Hochburgen der Bürgerlichkeit und des im Schweiße anderer verdienten Geldes. Aber sie wissen, worüber sie singen.

Die Band gibt es seit 2016; sie besteht aus Florian Machek, Frank Hoffmann, Lucas Amadeus Unger, Paul Schleicher und Wolfgang Kanduth. Im echten Leben sind das Werbemenschen, haben Jus oder Japanologie studiert oder sind Tontechniker wie Paul Schleicher. Der ist der Sohn des 2015 verstorbenen Peter Schleicher, der 1979 auf dem legendären Album Hart auf Hart Rolling-Stones-Songs ins Wienerische überführte.

"Dirty Penzing"

Kahlenberg gelingt eine stimmige Persiflage. In der Verarschung ihrer Schickeria ist eine Verwurzelung zu erkennen, die der Qualität des Ansinnens gut zuarbeitet. Der Rest ist ein hörbarer Spaß an der Freud. Anders fällt einem ein Albumtitel wie Dirty Penzing nicht ein.

Hinzu kommt jene Lockerheit, mit der man so ein exotisches Hobby ausleben kann, wenn man einen Brotberuf hat. Wenn es mit dem Rock 'n' Roll nichts wird, übernimmt man halt die Kanzlei des Herrn Papa. Oder man lässt sich das Erbteil auszahlen, um es in den nächsten 60 Jahren unter Aufsicht des Vermögensverwalter-Onkels durchzubringen: "Geh, Marie-Claire, bring den Schampus, meine Lippen sind schon wieder so trocken." So. Oder so ähnlich. (Karl Fluch, 23.1.2019)