Lívia Mata befand, dass Wien ein bisschen mehr Rio sein könnte. Weshalb es jetzt das Carioca in der Leopoldstadt gibt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Klassischer Feijoada-Bohneneintopf mit zwei Sättigungsbeilagen: Reis und Farofa. Dazu Tomaten-Zwiebel-Salsa und Orangenviertel.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Wissen um die Sexyness der Bohne haben wir in Österreich längst begraben. An Herrlichkeiten wie Bohnengulasch, Bohnenstrudel, Ritschert oder Pounzga mit Sasaka können sich nur die Älteren unter den Pensionisten, und die nur mit Glück, erinnern. Gerichte wie diese wurzeln tief in der kulinarischen Tradition, sind aber völlig aus den Speisekarten verschwunden. Bohnen gelten als vorgestrig, Arme-Leute-Küche aus einer trostlosen Zeit, in der die Dörfer noch nicht mit Kreisverkehr-Denkmälern, mutiger Fertigteilarchitektur und Fassaden in allen Farben des südindischen Curryspektrums verschönert waren – und das Schnitzel noch ein armseliges Dasein als Sonntagsessen fristen musste.

Es hilft nichts, dass Bohnen Superfood für Mensch und Planet gleichermaßen sind, fantastisch gesund, als Proteinquelle dem Fleisch ebenbürtig, die dazu noch Stickstoff im Boden bindet und unerreicht viel Ballaststoffe liefert. Vielleicht aber hilft ein Hinweis auf leichtfüßige Genies wie Ronaldinho und Neymar, auf überirdisch schöne Menschen wie Adriana Lima, Lais Ribeiro und Gisele Bündchen: Für Brasilianer steht nämlich außer Frage, dass solche Höchstleistungen der Menschheit maßgeblich ihrem extrem hohen Bohnendurchsatz geschuldet sind. Der Rhythmus der Tropen ist das eine, die Kraft aus den Bohnen das andere Prinzip brasilianischer Größe. Ohne den mythischen, allgegenwärtigen Bohneneintopf Feijoada lässt sich das Land gar nicht denken.

Bis März ein Pop-up

Womit wir eh schon beim Carioca sind, einer Bohnenbude erster Ordnung, die Lívia Mata vor zwei Wochen beim Wiener Donaukanal eröffnet hat. Mata kam einst als Model nach Wien und wärmt die Stadt schon seit vielen Jahren mit ihrem strahlenden Wesen. Als Grafikerin und Artdirector hat sie Magazine wie Profil, News, die AUA-Bordzeitschrift und andere gestaltet. Als Brasilianerin in der Fremde kocht sie fantastische Feijoada, bisher aber nur für sich selbst und ihre Liebsten. Insgeheim keimte die Lust, diese Eintopf gewordene Essenz Brasiliens aus schwarzen Bohnen und einem Sud aus Schweinsohren, -rüsseln und -füßen, aus scharfer Rauchwurst und eingesalzenem Rind auch einmal der neuen Heimat verfügbar zu machen.

Bis Ende März gibt es das Carioca (heißt so nach den Einwohnern Rio de Janeiros) einmal als Pop-up. Bis dahin soll sich weisen, ob die Stadt reif ist, sich der Bohne hinzugeben. Was dafür spricht: Lívia Matas Feijoada (siehe Bild) ist außerordentlich gut. Und sie wird, wie es dem lokalen Geschmack entgegenkommt, gleich mit zwei Sättigungsbeilagen gereicht. Einerseits Reis, anderseits Farofa, knusprig geröstetes Maniokmehl ("Farinha"), außerdem Grünzeug, Tomaten-Zwiebel-Salsa und, für die Verdauung angeblich unverzichtbar, Orangenvierteln. Das schmeckt in der Kombination nicht nur zum Bäumeausreißen gut, sondern auch so vielfältig raffiniert, dass man sich gleich den Sonntag vormerken sollte. Da gibt es Feijoada nach Belieben vom Buffet.

Palmöl? Gut!

An den anderen Tagen darf man sich auch auf wechselnde Fischgerichte freuen (etwa köstlich exotische Moqueca mit Kokos und hocharomatischem, unraffiniertem Palmöl) und auf vegane Varianten, in denen Jackfruit zum Einsatz kommt. Brasilianisches Craftbier gibt es auch, grandios fruchtige Caipirinhas (das Getränk zur Feijoada!) sowieso, und für hintennach eine Cachaça de Jambú, angesetzt mit einer Amazonas-Blüte, welche die Zunge auf unterhaltsame Weise ins Prickeln versetzt. Dazu darf man sich Pão de queijo nicht entgehen lassen – würzig heiße Käsepuffs aus Maniok und so ziemlich der beste Cocktailsnack, den man sich vorstellen kann. Nicht zufällig heißt es in Rio: "Kein Pão de queijo, keine Party." (Severin Corti, RONDO, 25.1.2019)

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