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Das Militär setzte gegen die Demonstranten in Caracas Tränengas ein.

Foto: AP/Cubillos

Eine "kleine Gruppe von Angreifern" aus den Reihen der Nationalgarden hat in der Nacht auf Montag ein Waffenlager in Petare in der Nähe von Venezuelas Hauptstadt Caracas überfallen. Das gab die Armee später an. Dabei seien die Angreifer auf "starken Widerstand" gestoßen, haben vier Soldaten gefangen genommen.

Dann sind die Armeeangehörigen nach Caracas gefahren, wo sie in der Kaserne Cotiza ein Video aufgenommen und über die sozialen Medien verbreitet haben. Darin verkündete ein Vertreter der Gruppe, den Präsidenten Nicolás Maduro nicht anzuerkennen. "Geht auf die Straße und protestiert", rief er die Bevölkerung auf.

Der Spuk währte aber nicht lange. Schon kurz darauf nahmen Venezuelas Streitkräfte 27 Männer fest und brachten sie nach Fuerte Tiuna, in die größte Militäranlage des Landes. Verteidigungsminister Vladimir Padrino gab bekannt, dass die Männer "die volle Härte des Gesetzes" erwarte.

Proteste in Caracas

Doch in den Stunden davor waren schon zahlreiche Venezolaner dem Aufruf der vermeintlichen Putschisten gefolgt: In manchen Armenvierteln versammelten sich Anrainer und zündeten Straßenblockaden an. Das Militär ging mit Tränengas gegen die Demonstranten vor, die nur wenige Kilometer vom Präsidentenpalast entfernt den Rücktritt des autoritär regierenden Staatschefs forderten.

Und die Lage könnte noch weiter eskalieren. Denn hinter den jüngsten Unruhen steckt ein erbitterter Machtkampf zwischen dem Staatschef Maduro und der Opposition. Letztere wirft Maduro vor, im vergangenen Mai per Wahlbetrug erneut ins Amt gekommen zu sein, sie erkennt das Ergebnis nicht an. Und diese Meinung teilen auch die USA, die EU und einige Nachbarstaaten. Seitdem Maduro am 10. Jänner seine zweite Amtszeit angetreten hat, kommt es wieder vermehrt zu Protesten.

Das Parlament des Landes wird von der Opposition kontrolliert. Der Anfang des Jahres frisch vereidigte Parlamentschef Juan Guaidó tritt als Hauptgegner Maduros hervor. Doch das Parlament wurde bereits entmachtet – Maduros Regierung erkennt keine Parlamentsbeschlüsse an. Mitte Jänner wurde Guaidó sogar kurz vom Geheimdienst festgenommen.

Widerstand in Reihen der Armee

Unterstützung hat Maduro vor allem vom Militär – bisher zumindest. Der jüngste Umsturzversuch zeigt, dass sich auch hier Widerstand regt. Am Dienstag zeigte sich Guaidó mit den meuternden Soldaten solidarisch: "Das Parlament verpflichtet sich, den Angehörigen der Streitkräfte, die aktiv zur Wiederherstellung der Verfassung beitragen, alle nötigen Garantien zu bieten", twitterte er.

Und für Mittwoch hat er zu Massendemos aufgerufen, und zwar nicht zufällig am 23. Jänner: An diesem Tag im Jahr 1958 fiel die Militärdiktatur. "Die Verfassung gibt mir das Recht, die Präsidentschaft zu übernehmen, um Wahlen auszurufen, aber ich brauche die Unterstützung der Bürger", sagte der Parlamentschef bereits vergangene Woche. Doch den Demonstranten geht es wohl nicht nur um politische Machtkämpfe. Venezuelas Wirtschaft ist am Boden. Versorgungsengpässe heizen den Zorn der Bevölkerung an. (Anna Sawerthal, 22.1.2019)