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Gas durch die Leitung pumpen – wenn es nur so einfach wäre. Vertragslänge, Volumen, Tarif: Es gibt viele Punkte zu klären.

Foto: Reuters/AGENCJA GAZETA

Auf Wiedersehen im Mai: Beim Dreiergipfel zwischen der EU, Russland und der Ukraine in Brüssel haben die Parteien – wie erwartet – nicht zu einer Lösung der Transitfrage gefun- den. EU-Energiekommissar Maros Sefcovic unterbreitete zwar seine Vorschläge zu einer weiteren Ausgestaltung des Gastransits sowohl zur Vertragslänge als auch zum Volumen und dem Tarif, doch Russland und die Ukraine haben sich eine Auszeit genommen.

Klar ist: Die EU ist an langfristiger Sicherheit interessiert. Der aktuelle Transitvertrag läuft Ende 2919 aus. Nord Stream 2 wird, selbst wenn es gelingt, den Bau der Pipeline gegen den stärker werdenden Druck aus den USA rechtzeitig im vierten Quartal 2019 fertigzustellen, immer noch nicht voll einsatzbereit sein. Es fehlt die Anbindung. Die Pipeline Eugal, die das russische Gas dann von der Ostseeküste bei Greifswald abnehmen und weiter Richtung tschechische Grenze leiten soll, wird frühestens 2020 fertig.

Lücke in Energieversorgung

Damit gibt es eine Lücke in der Energieversorgung. Prognosen zufolge steigen Energieverbrauch und Gasnachfrage in Europa weiter an, sodass auch Nord Stream und Nord Stream 2 zusammen sie nicht ganz stillen können. Die Anbindung von Turkstream an das europäische Gasnetz hängt hingegen noch in der Luft. Damit bleibt der Transit durch die Ukraine unentbehrlich.

Sefcovic will den Transit für mindestens zehn weitere Jahre sichern und dabei genügend Gas durch die Leitung pumpen lassen, damit sich geplante europäische Investitionen in das marode ukrainische Gasnetz auch lohnen. Für Russland und die Ukraine gibt es wirtschaftlich zum Gastransit vorerst auch keine Alternative, politisch ist der Wille zum Kompromiss auf beiden Seiten gering. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko setzt im Wahlkampf vor allem auf nationalistische Kräfte. Seine Chancen will er nicht durch Zugeständnisse an Russland in den Gasgesprächen verringern.

Druck erhöhen

Naftogas versucht stattdessen den Druck auf Gegenpart Gazprom über die laufenden Gerichtsverfahren zu erhöhen. Erst im Sommer hatten die Ukrainer noch einmal eine Zwölf-Milliarden-Dollar-Klage gegen Gazprom wegen der aus Kiewer Sicht zu niedrigen Transitgebühren eingereicht. Zuvor hatte das Stockholmer Schiedsgericht Naftogas schon 2,6 Milliarden Dollar Kompensation wegen der für die Ukraine zu hohen Gaspreise zugesprochen. Augenscheinlich dient die neuere Klage Kiew als Hebel in den Gasverhandlungen. Naftogas-Geschäftsführer Juri Witrenko erklärte, bei Abschluss eines neuen 15-Jahre-Vertrags sei Kiew bereit, die Kompensationssumme auf zwei Milliarden Dollar zu senken. Sollte Russland nicht zu einem Vertrag bereit sein, würden andernfalls eben die höheren Amortisationskosten fällig.

"Das ist eine etwas absurde Position vonseiten unserer ukrainischen Partner mit dieser neuen Klage", echauffierte sich Russlands Energieminister Alexander Nowak. Russland akzeptiere weder die Klage noch ihre Anbindung an die Verhandlungen. Überhaupt werde es erst einen neuen Transitvertrag geben, wenn alle juristischen Streitigkeiten beendet seien, sagte er.

Großes Taktieren

Ironischerweise ist Russland, das 2009 den nach dem "Gaskrieg" zwischen Kiew und Moskau ausgehandelten und bis Jahresende noch gültigen Langzeitvertrag weitgehend diktierte, inzwischen weniger als die Ukraine und die EU an neuen langfristigen Verpflichtungen interessiert. Moskau hat zwar eine Verlängerung des Abkommens vorgeschlagen, darin freilich keine Liefermenge festgeschrieben. Früher oder später will der Kreml den Ukraine-Transit durch Turkstream ersetzen. Erst Ende voriger Woche hat sich Wladimir Putin in der Frage die Unterstützung von Serbiens Präsident Aleksandar Vucic gesichert.

Eine schnelle Einigung ist nicht in Sicht. Erst im Mai ist die nächste Verhandlungsrunde geplant, wenn die Wahlen in der Ukraine gelaufen sind. Moskau hofft, dann auf bequemere Gesprächspartner am Dnjepr zu treffen. Doch die Erwartung ist trügerisch. Dass die politischen Komplikationen zwischen Moskau und Kiew nach der Wahl geringer werden, ist eher unwahrscheinlich, selbst bei einem Sieg von Julia Timoschenko. Die Zeit für eine Lösung im Transitstreit könnte damit knapp werden. (André Ballin, 22.1.2019)