Wien – Babette A. (Namen geändert, Anm.) ist eine mustergültige Angeklagte. "Dürfen Sie Hände schütteln?", fragt die braungebrannte 40-Jährige die Richterin Eva Brandstetter am Ende des Verfahrens um Körperverletzung und versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt. Brandstetter darf, also bedankt A. sich artig und verabschiedet sich auch bei der Staatsanwältin und der Privatbeteiligtenvertreterin mit einem Händedruck.

Umso erstaunlicher ist angesichts dieser Höflichkeit, was der unbescholtenen zweifachen Mutter vorgeworfen wird. Sie soll im Vorjahr nicht nur ihre Partnerin Jennifer S. mit einem Elektroschockgerät und Tritten verletzt haben, sondern sie attackierte beim Eintreffen der Polizei auch einen deutlich größeren Beamten.

"Leider war ich so blöd, zum Wodka zu greifen", erinnert sich die Angeklagte reumütig an den Tattag. Sie war mit A. verabredet gewesen, diese hatte sich verspätet. "Da war ich schon angfressen." Man traf sich später, um in der Wohnung einer weiteren Bekannten Alkohol zu konsumieren. "Bei der Hinfahrt war schon Dampf zwischen uns, da sie mich mit Blicken provoziert hat", sagt A. über das gespannte Verhältnis, das zwischen ihr und S. geherrscht hat.

Beim Anstoßen gefoppt

"Am Abend hat sie mich dann weiter gefoppt, sie hat so getan, als ob sie anstoßen wollte, und dann das Glas wieder weggezogen", skizziert die wegen psychischer Probleme Arbeitsunfähige. Zunächst becherte man weiße Gespritzte, dann bediente sich A. am roten Wodka. Die Folgen in Kombination mit ihren Psychopharmaka waren eher ungünstig. "Eine Freundin und meine Tochter haben dann gesagt, dass ich betrunken bin, und ein Taxi gerufen, mit dem wir heimgefahren sind."

Zu Hause machte A. sich bettfertig, als eine weitere Bekannte anrief. Und sie auf eine Webseite aufmerksam machte, auf der Sabrina S. wüste Dinge über A. behauptete. "Sie hat mich 'Hure' genannt und gesagt 'Hau dir deine Pulverl eini!'." Das erzürnte die Angeklagte derart, dass sie einen als Taschenlampe getarnten Elektroschocker und einen Pfefferspray aus dem Kasten holte und sich gemeinsam mit der Anruferin auf den Weg zu S. machte.

Die Erinnerungen sind nur noch fragmentarisch. "Sie ist dann schreiend heruntergelaufen, und ich habe den Elektroschocker eingesetzt. Angeblich habe ich sie auch getreten, aber das kann nicht so schlimm gewesen sein", ist A. überzeugt.

Richterin freut sich über Farbfotos

Die Privatbeteiligtenvertreterin, die für S. 500 Euro Schmerzensgeld will, legt der Richterin große Farbfotos vor, auf denen die Verletzungen im Halsbereich deutlich zu erkennen sind. "Aaahhh, sehr cool! Im Akt sind die Fotos immer schwarz-weiß, da kann man nichts erkennen", freut sich Brandstetter und seufzt darüber, dass in der Justiz "Shades of Grey" der Standard seien.

Nach dem Überfall auf S. fuhr A. mit ihrer Begleiterin noch zu deren Mutter, wo dann die Polizei eintraf. "Unten stand dann schon die Polizei, dann lag ich auf dem Boden und hatte furchtbare Schmerzen", kann die Angeklagte keine Details nennen. Die verrät der Polizeibericht: Sie sei kooperationsunwillig gewesen, habe versucht, einen Beamten zu treten und mit der Faust Richtung Gesicht zu schlagen, wobei der Polizist am Jochbein verletzt wurde.

"Ich habe zwei Kinder und hätte nie gedacht, dass ich so was praktiziere", sagt A. noch, wobei unklar bleibt, ob sie das auf ihr Verhältnis mit einer Frau bezieht oder auf die Aggressionshandlungen. Brandstetter nimmt offenbar Letzteres an. "Nachdem ich ziemlich überzeugt bin, dass das der einzige Ausraster Ihres Lebens gewesen ist, kann ich im untersten Bereich des Strafrahmens bleiben", begründet die Richterin das nicht rechtskräftige Urteil von vier Monaten bedingt und den Zuspruch von 300 Euro an Frau S. (Michael Möseneder, 6.2.2019)