Wenn sich der russische und der türkische Präsident treffen, so weiß der eine genau, was er will, und der andere genau, was er nicht will: Wladimir Putins Plan ist, nach und nach die Kontrolle des Assad-Regimes über das syrische Territorium wiederherzustellen – auch im Norden an der türkisch-syrischen Grenze. Und Tayyip Erdogan will nicht, dass in diesem Fall die syrischen Kurdenmilizen der YPG von der bisherigen Protektion der USA in eine Partnerschaft mit Damaskus überwechseln. Das würde den mit der PKK verbündeten Kurden genau jene Bewegungsfreiheit entlang der Grenze erhalten, die Ankara so dringend beenden will.

Erdogan hat als Trumpfkarte seine Beziehung zu seinem häufigen Telefonpartner Donald Trump im Ärmel: Wobei aber auch zwischen ihnen die Positionen weiter auseinander sind, als die geplante türkische Pufferzone an der Grenze breit sein soll. Die Türkei sah den angekündigten Abzug der USA aus Nordostsyrien als Freibrief, gegen die YPG-Kurden vorzugehen. Die USA wollen hingegen sicherstellen, dass die Türkei die Kurden nicht angreift, die weiterhin als Teil der Bodentruppe der Koalition gegen den "Islamischen Staat" fungieren. Erst am Mittwoch konnten sie den IS aus einem weiteren wichtigen Ort vertreiben.

Möglicher Angriff

Wenn es keine Einigung mit den USA gibt, hat Erdogan aber auch ein mögliches Angebot an die Russen: Im Herbst hatten die Türken noch den Stopp eines geplanten syrisch-russischen Angriffs auf die von den Rebellen gehaltene Provinz Idlib mit Moskau ausverhandelt. Aber zuletzt sahen sie dabei zu, dass die türkisch unterstützten Rebellen vertrieben wurden und das Gebiet von einer Gruppe übernommen wird, die Al-Kaida nahesteht. Damit rückt ein möglicher Angriff wieder näher: Nicht nur Verschwörungstheoretikern kommt der Gedanke, dass Erdogan bereit sein könnte, Idlib fallenzulassen, wenn ihm Russland dafür im Norden Bewegungsfreiheit gibt.

Aus Moskau waren am Mittwoch auch scharfe Worte gegen Israel zu hören, das seine Angriffe auf iranische Ziele in Syrien zuletzt verschärft hat: Auch Benjamin Netanjahu ist ein regelmäßiger, immer wieder frustrierter Moskau-Pilger. Er dürfte die Wiederannäherung der Arabischen Liga an Damaskus mit der Hoffnung betrachten, dass Assad, um einer Normalisierung mit den Arabern willen, ein wenig vom Iran abrückt. Aber Anzeichen gibt es dafür keine und auch keinen diesbezüglichen Druck aus Russland. (Gudrun Harrer, 23.1.2019)