Aktivistinnen kämpfen seit Jahrzehnten gegen Gewalt an Frauen – zu Recht stört es sie, wenn erst Interesse aufkommt, wenn jemand mit Migrationshintergrund hinter einer Gewalttat steht.

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Noch vor ein paar Jahren war es völlig anders. Wer über Gewalt gegen Frauen berichtete, hatte es mit einer kleinen und feministisch einschlägig interessierten LeserInnenschaft zu tun. Kritische Reaktionen beschränkten sich meist darauf, dass alles recht übertrieben werde, Vermutungen, was das Opfer denn alles falsch gemacht hätte ("Warum hat sie ihm denn überhaupt die Tür aufgemacht") und warum man eigentlich nie über Gewalt gegen Männer schreiben würde.

Seit der Fluchtbewegung im Herbst 2015 und dem Neujahrstag von 2016, Stichwort Köln, ist das anders. Seither erhalten manche Journalistinnen und Journalisten nach ihren Berichten vermehrt wütende Zuschriften (oder Anrufe), warum man nicht schreibt, dass das allesamt "Asylanten" und "Ausländer" seien, die Frauen angreifen – manchmal ist auch von "unseren Frauen" die Rede. Rechte machten aus Köln ein Symbol vom übergriffigen bis gewalttätigen jungen Mann aus der arabischen Welt. Plötzlich war man entsetzt über Gewalt an Frauen. Entsetzt waren allerdings auch jene, für die Gewalt gegen Frauen keine neue Entdeckung war. Sie waren empört darüber, dass es Gewalt gegen Frauen offenbar erst dann zum Skandalon bringt, wenn die Herkunft der Täter eine andere als deutsch oder österreichisch ist.

Der Ärger darüber ist bis heute aufrecht und bekommt laufend Stoff, wenn man sich anschaut, wie schamlos Gewalt gegen Frauen instrumentalisiert wird – etwa wenn der Innenminister die Tötung eines Mädchens durch einen Asylwerber für einen Vorstoß dahingehend nutzt, künftig auch nach Syrien abzuschieben. Doch ein restriktives Asylgesetz und rassistisches Grundrauschen sind keine Antwort auf die Herausforderung einer möglichst gewaltfreien Zukunft. Das wissen all jene, die sich mit Gewalt gegen Frauen nicht erst seit gestern beschäftigen.

Unterschiedliche Konsequenz?

Das ist der Hintergrund, warum viele den Spot auf Täter mit Migrationshintergrund zurückweisen. Nicht weil sie leugnen, dass diese Gewaltverbrechen begehen, sondern weil es selbstverständlich sein sollte, dass jeder gewalttätige Angriff, jeder Mord gleich schwer gewichtet wird. Es geht auch um die berechtigte Sorge, dass es künftig unterschiedliche Konsequenzen für unterschiedliche Tätergruppen geben könnte. Darum, einen Tunnelblick zu vermeiden, der gerade im Bereich Gewalt gegen Frauen so viel anrichtet.

Zum Beispiel bei Vergewaltigung, die als solche noch immer für viele nur durchgeht, wenn zerfetzte Kleider und blaue Flecken von "echter" Gewalt zeugen – oder eben eingebrannte Bilder, wie ein Gewalttäter angeblich aussieht. Zu bitter wäre eine Entwicklung, nach der der gebürtige Kärntner in Seelenruhe seine Frau schlagen kann, weil die gewalttätigen Patriarchen ja immer die anderen sind. Auch sind die Unterschiede zwischen den Tätern, die nicht in Österreich geboren und aufgewachsen sind, manchmal größer als die Gemeinsamkeiten. Gezielte Maßnahmen gegen "die Ausländer" würden deshalb zu kurz greifen. Nehmen wir nur die Fälle aus diesem Jahr: Darunter sind Österreicher, die aus Mazedonien, Malaysia und der Türkei stammen, ein autochthoner Österreicher und ein Syrer mit Asylstatus.

Schutz für alle Frauen?

Unbeantwortet bleiben indessen auch die Fragen, wann der Migrationshintergrund eines Täters nicht mehr relevant ist. Wenn er fünf Jahre in Österreich lebt, zehn? Nie? Und was, wenn ein direkter Zusammenhang von Gewaltbereitschaft und Herkunft hergestellt werden kann? Etwa wenn die Männer und Burschen aus Kriegsgebieten oder Ländern kommen, in denen Frauen keine Rechte zugestanden werden und darüber hinaus keinerlei Autonomie? Dann wären doch integrative Maßnahmen dringend geboten, die aber den betreffenden Männern derzeit zunehmend verwehrt werden, wenn keine Deutschkurse zur Verfügung stehen und sie somit Projekte im Rahmen von Männerarbeit nicht nutzen können.

Doch dieser Zusammenhang interessiert die politischen Verantwortlichen derzeit nicht besonders. Auch geraten die Opfer zu sehr aus dem Blickfeld.

Denn Fakt ist, dass Gewalt an Frauen meistens im eigenen sozialen Umfeld stattfindet. Dass aber kein Hahn nach der Möglichkeit kräht, dass Asylwerberinnen dauerhaften Schutz in Frauenhäusern in allen Bundesländern bekommen, zeigt: Um den Schutz von Frauen geht es nicht vorrangig. Oder zumindest nicht um den von allen Frauen. (Beate Hausbichler, 24.1.2019)