Aufnahme des massereichen Sternhaufens NGC 3603. Er hat sich wahrscheinlich auf die selbe Weise entwickelt wie derjenige, der gerade in der Region G351.77-0.54 entsteht.

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Die Geburt eines Sterns ist ein gewaltiges Ereignis: Riesige Gaswolken und Staub kollabieren und verdichten sich, bis es in einer besonders heißen Region zur Wasserstofffusion kommt. Bei Sternen ab etwa acht Sonnenmassen geht es aber noch spektakulärer her: Sie entstehen aus Wolken molekularen Gases, die beim Kollaps in eine Kaskade von Fragmenten zerfallen. Aus vielen dieser Fragmente entsteht dann ein einzelner Stern oder ein Doppelsternsystem.

Ob bei dieser Fragmentierung andere physikalische Mechanismen ablaufen als beim Wolkenkollaps bei Sternen mit geringerer Masse, wird schon länger diskutiert. Gibt es in den massereichen Wolken hinreichend starke turbulente Gasbewegungen, die destabilisierend wirken und so zu einem schnelleren Kollaps führen?

Einem internationales Forscherteam um Henrik Beuther vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg gelangen nun die bisher detailliertesten Beobachtungen dazu: Sie fanden heraus, dass die Mechanismen der Fragmentierung vergleichsweise einfach sind und sich aus der Kombination von Druck und Schwerkraft der Wolke ergeben. Komplexere Phänomene wie Magnetfelder und Turbulenzen spielen eine geringere Rolle als bisher angenommen.

Aktive Region

Der Kollaps, der die Entstehung massereicher Sterne auslöst, findet als Kaskade statt. Am oberen Ende der Größenskala stehen riesige Molekülwolken, die überwiegend aus Wasserstoffgas bestehen. Innerhalb dieser Wolken bilden sich verschiedene dichtere Regionen aus, typischerweise einige Lichtjahre im Durchmesser. Jede dieser Regionen enthält einen oder mehrere dichtere Kernregionen. In jeder dieser Kernregionen führt der Kollaps zur Bildung eines einzelnen Sterns oder eines Sternsystems.

Beuther und Kollegen konnten nun mithilfe des ALMA-Observatoriums in der chilenischen Atacama einen bisher unerreicht detaillierten Blick auf die Sternbildungsregion G351.77-0.54 im südlichen Sternbild Skorpion werfen. Aus früheren Beobachtungen war bekannt, dass in dieser Region gerade Fragmentierungsprozess abläuft, auf der untersten Eben der Fragmente entstehen bereits die ersten Sterne. Aber die Kernregionen, aus denen dann tatsächlich die einzelnen Sterne entstehen, blieben dem Blick der Astronomen bisher verborgen.

Einheitliche Beschreibung

Mit ALMA konnten die Astronomen jetzt das massereiche Sternentstehungsgebiet bis zur Unterstruktur der kollabierenden Kernregionen untersuchen und damit Strukturen untersuchen, die kleiner als 50 astronomische Einheiten sind. "ALMA ist ein Paradebeispiel dafür, wie Fortschritte in der Beobachtungstechnik die Forschung vorantreiben. Ohne die beispiellose räumliche Auflösung und Empfindlichkeit von ALMA hätten wir unsere Ergebnisse nicht erzielen können", sagt Henrik Beuther.

Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass die einfachen Rechnungen zum Innendruck von Wolken zur Beschreibung der Fragmentierung tatsächlich ausreichen. "Unsere Beobachtungen sprechen für eine einheitliche physikalische Beschreibung. Die Fragmentierung von den größten bis zu den kleinsten Größenskalen scheint von denselben physikalischen Prozessen bestimmt zu sein", sagt Beuther.

Überraschend kleine Akkretionsscheiben

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung erwies sich dagegen als Herausforderung: Die Forscher hatten bei ihren Beobachtungen auch versucht, mehr über die Eigenschaften der gerade entstehenden Protosterne in den Kernregionen herauszufinden. Ein solcher Protostern sollte von einer wirbelnden Gasscheibe umgeben sein, einer sogenannten Akkretionsscheibe. Vom inneren Scheibenrand fällt dabei Gas auf den Stern und erhöht dessen Masse. Eine kleine Menge an Gas wird bei solchen Scheiben allerdings auch mit hoher Geschwindigkeit ins All geschleudert. Dabei bilden sich sogenannte Jets – zwei eng gebündelten Teilchenströmen senkrecht zur Akkretionsscheibe, die durch die Wechselwirkung von ionisiertem Gas und Plasma entstehen.

Doch anstatt wie erwartet Hinweise auf eine Akkretionsscheibe zu finden, fanden die Forscher vor allem die Spuren der Jetmaterie, die sich einen Weg durch das umgebende Gas bahnt. Das deutet darauf hin, dass die Akkretionsscheiben massereicher Protosterne kleiner sind, als die Astronomen erwartet hatten – eine Herausforderung für zukünftige Beobachtungen mit noch höherer räumlicher Auflösung. (red, 26.1.2019)