Das Eisenstädter Schloss Esterházy – ein barocker Prachtbau – ist Zentrum der Haydn-Pflege und so mancher familiärer Fisimatenten.

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Die Geschichte hätte sich wohl auch einer mit der Imaginationskraft eines Claas Relotius schwerlich ausdenken wollen. Denn so hanebüchen, wie sie nun tatsächlich erzählt werden muss, wäre sie wohl nicht einmal durch die Faktencheckabteilung des Spiegel gekommen.

Am späten Dienstagabend – so hebt diese Geschichte an – rückten mehr als 100 Polizisten aus, die in und um Eisenstadt und später dann auch "international" eine "Alarmfahndung" ins Werk zu setzen hatten.

Eine betagte Frau – 88 Jahre alt – wäre um halb vier am Nachmittag mitten auf der Esterházystraße entführt worden. Die sie begleitende Pflegerin sei dabei "geschubst" worden. Die Polizei bat um zweckdienliche Hinweise aus der Bevölkerung, die am Abend beim Heimfahren sich in den Fangnetzen der Alarmfahndung einigermaßen verfangen hat. Der Name des Entführungsopfers wurde aus Gründen der Fahndungstaktik und des Opferschutzes nicht kommuniziert. Allerdings wusste eh ein jeder. Im Burgenland sowieso. Darüber hinaus wurde gemunkelt.

Harte Kante

Was heißt gemunkelt? ORF Burgenland, dann in weiterer Folge auch ORF national berichteten ausführlich, im Internet überschlugen sich die Meldung inklusive Namen und Spekulationen. So sehr, dass auch die Insassen der zwei Limousinen, die um halb vier in der Eisenstädter Esterházystraße die 88-jährige Magdolna Theresia Ottrubay "abgeholt" haben, dies mitbekamen.

Die betagte Dame ist Schweizerin. Ihr Sohn Stefan (65), der das auch ist, hat die Frau Mama im vergangenen Herbst zu sich nach Eisenstadt geholt, wo er seit bald 20 Jahren wohnt. Denn hier verwaltet er seit 2000 die drei Stiftungen, in die seine Tante – Melinda Esterházy, geborene Ottrubay, kinderlose Alleinerbin nach Paul Esterházy – das Milliardenvermögen der einst fürstlichen Familie eingebracht hat. Der Neffe verwaltet dieses Vermögen mit Umsicht und, wenn man das so sagen darf, harter Kante.

Rechtsfriede

Er scheute nicht davor zurück, selbst das Land aus dem Schloss zu werfen oder vorenthaltene Kulturförderungen einzuklagen. Unlängst erst haben er und der designierte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil den Rechtsfrieden verkündet.

Aber Fisimatenten gab und gibt es nicht nur da. Sondern auch im "Osten", wo Esterházy ja stark investiert ist. Bald fing man medial also an, die "Entführung" als mögliche "Racheaktion" weiterzumunkeln. Oder gar "Mafiaaktion".

Die Polizei versicherte, man ermittle "in alle Richtungen", auch jene, in der es "nicht um Lösegeld" gehe. Innenminister Herbert Kickl war sich im ORF-Report nicht sicher, ob es sich da um "eine klassische Entführung" handele.

Ansichtssache. Die Tochter der Frau Ottrubay hatte bei Kitzbühel angeblich Hotelzimmer reserviert, weil sie der Mutter die Heimreise in die Schweiz nicht in einem Stück zumuten wollte. Spätabends angekommen, ging sie zur dortigen Polizei, um, bezeugt von der Mutter, zu bezeugen, dass der Innenminister eher zu vorsichtig gemutmaßt hat. Es sei nicht nur keine nichtklassische Entführung gewesen, sondern gar keine.

Na ja, erwidert Roland Koch, Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft in Eisenstadt. "Es ist schon so, dass es nach wie vor möglich ist, dass die Tatbestände erfüllt sind. Es ist auch möglich, dass es sich um innerfamiliäre Zwistigkeiten, Unstimmigkeiten handelte und nicht um strafrechtlich relevante Tatbestände."

Die Familie Ottrubay bittet, sagt deren Sprecher – Josef Kalina, das alte SPÖ-Kommunikations-Schlachtross – "die Privatsphäre zu respektieren. Das ist ein Offizialdelikt. Die Polizei muss jetzt einmal dem nachgehen."

Paul Anton Esterházy – in früheren Tagen wäre er der kommandierende Fürst gewesen – legt "Wert auf die Feststellung, dass auch dieser Fall mit der Familie Esterházy nichts zu tun hat. Wir pflegen andere Umgangsformen – besonders mit betagten Damen, die wir gerne in den großen Familienverband integrieren." (Wolfgang Weisgram, 24.1.2019)