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Foto: AP/Jens Meyer

Er ist ein netter, kluger und politisch engagierter Zeitgenosse und fit wie ein Turnschuh (dank Crossfit). Einer der spannendsten Pianisten dieser Zeit ist er auch. Alle lieben Igor Levit. Bei seiner Interpretation des dritten Klavierkonzerts von Beethoven zeichnete der 31-Jährige im Konzerthaus (auf dem exzellent intonierten Steinway) hingebungsvoll die zarten Seiten des Werks in c-Moll nach. Er machte aus profanen Akkordzerlegungen (im Piano) zarte Nebelschleier (in dreifachem Piano) und stylte den Klassiker zum Präimpressionisten um.

An Beethoven interessierte ihn weniger das Raubein als der Galanteriewarenfabrikant; mit den Philharmonikern interagierte er mit kammermusikalischem Feinsinn. Und doch: Bei all den klangzauberischen Kunstfertigkeiten (und den aggressiven Attacken, die es auch gab) ertappte man sich gegen Ende dabei, in Levits zwischen Puppenstuben-Pointillismus und Art brut aufgespannter Interpretation die Mitte zu vermissen, das Normalmenschliche.

Obwohl: Normalmenschliches ereignete sich im Konzert eh auch. Nach Charles Ives' Decoration Day spielten die Wiener Philharmoniker unter der farblosen Leitung von Dirigent Michael Tilson Thomas Johannes Brahms' zweite Symphonie. Und dies in einer Allerweltsinterpretation, die nach der bereits absolvierten Mitteleuropatournee Anfang März in der New Yorker Carnegie Hall zu hören sein wird. (Stefan Ender, 25.1.2019)