Gemeinsames Bangen der Eltern des vermissten Julen.

Foto: AFP / Jorge Guerrero

Zum Greifen nah und doch so fern, könnte das Motto der letzten Stunden bei der dramatischen Rettung des zweijährigen Julen im südspanischen Totalán lauten. Im Ort unweit der andalusischen Stadt Málaga gruben acht Bergleute des Minenrettungsdiensts aus dem nordwestspanischen Asturien unermüdlich einen vier Meter langen Tunnel. Die horizontale Röhre wird in 73 Metern Tiefe eine vertikale Rettungsbohrung mit einem Brunnenschacht verbinden, in dem seit zwölf Tagen der Bub Julen vermutet wird. Die Bergleute hatten Donnerstagabend mit der Grabung begonnen. Bei Redaktionsschluss waren zweieinhalb Meter des Tunnels fertiggestellt.

Mikrosprengsätze im Einsatz

Die Arbeiten kommen nur langsam voran. "Das Gelände bereitet uns viele Schwierigkeiten. Das mussten wir bereits beim Ausheben des vertikalen Tunnels erleben", sagte der Sprecher der Guardia Civil, Jorge Martín. Immer wieder hatten harte Gesteinsschichten die Bohrung des parallel zum Brunnen verlaufenden Rettungsschachts verzögert. Jetzt, beim Quertunnel, war dies nicht anders. Die Sprengstoffspezialisten der Guardia Civil mussten mehrere Male hinunter, um mithilfe von Mikrosprengsätzen allzu hartes Gestein brüchig zu machen.

Jede dieser Sprengungen nahm zwei Stunden in Anspruch, bevor die Bergleute weiter mit ihren Presslufthämmern arbeiten konnten. Sie fahren in einem Transportkorb paarweise hinab und arbeiten dort 40 Minuten, bevor sie abgelöst werden. "Fristen können wir nicht geben", sagte Martín. Es sei der Berg, der den Rhythmus vorgebe. Aber alles laufe, wie es soll. Die spanische Presse erwartete den Durchbruch zum Brunnenschacht in der Nacht von Freitag auf Samstag.

Lebenszeichen von Julen gibt es seit seinem Verschwinden am Sonntag, dem 13. Jänner, keine. Sein Vater José Roselló gab an, er habe Julen in den 25 Zentimeter breiten und über 100 Meter tiefen Schacht fallen sehen und ihn dort unten weinen gehört. Ein Sackerl mit Süßigkeiten und einige Haare sind alles, was die Retter im engen steinigen Schacht finden konnten. Der Brunnen ist auf 72 Metern Tiefe mit einer Verschüttung verschlossen. Der Quertunnel soll jetzt in den Hohlraum unter dieser Verschüttung vorstoßen.

Kritische letzte Zentimeter

Besonders kritisch werden die letzten Zentimeter der Grabung sein. Die Bergleute müssen dann besonders behutsam vorgehen, damit keine Gesteinsbrocken in das Innere des Brunnenschachts und damit auf den zu rettenden Buben fallen. Die Ingenieure vor Ort gaben an, dass in diesem Fall der harte, steinige Boden von Vorteil sei, da er nicht zu größeren Verschüttungen neige. (Reiner Wandler aus Madrid, 25.1.2019)