"Short-Termism" wird in den Gelehrtenanalysen – von der Ökonomie bis zur Philosophie – gerade zum Modebegriff, der erklären soll, warum wir es nicht wirklich schaffen, uns fokussiert der Lösung der großen Probleme zu widmen, die das Potenzial haben, uns alle, zumindest in der uns bekannten Ordnung, zu vernichten. Klimawandel. Ungleichheit.
Wir sind alle so unglaublich kurzfristig getaktet, vom Heute und seinen schon unerledigbaren Aufgaben im Riesenkaufhaus der Möglichkeiten so überfordert, dass wir keine Kraft mehr haben, an morgen, geschweige denn übermorgen zu denken. Wir haben das Gefühl, uns täglich mit so viel Energie gegen Abstieg und Verlust stemmen zu müssen, dass Kleinigkeiten schon zum Problem werden.
Zustand ernst nehmen
Da passt das Phänomen des sogenannten Millennial-Burnouts, also des Erschöpfungszusammenbruchs der knapp 30-Jährigen, gut hinein. Lebensberichte solcher totalen Überforderungsgeschichten sind medial viral.
Menschen, die mehr Rollen zu erfüllen haben, als nur gegen den Präsenzverlust auf den (beruflichen) Netzwerkbühnen in Social Media zu arbeiten, mögen da milde lächeln und Therapeuten ihr Geschäft vergönnen. Aber darum geht es nicht. Die Zustandsbeschreibung ist ernst zu nehmen und zeigt auch in Unternehmen, was zu tun ist.
Tempo rausnehmen
Wer keine Perspektive mehr offen hat oder sich eröffnen kann, bei dem geht nichts mehr. Wer nicht mehr über mögliche Zukünfte (ja, das Pluralwort) nachdenken kann und sich nicht mehr in diese hineindenken kann, kann keinen Rucksack packen, um freudvoll gestalterisch loszugehen. Das lässt sich bis zur Gefahr für die liberale Demokratie denken. Und was tun? Tempo rausnehmen. Ängste besprechbar machen. Das Gefühl von Freiraum aufbauen. Entlastung schaffen. Im Unproduktiven über mögliche Zukünfte nachdenken. Menschen respektvoll ernst nehmen. (Karin Bauer, 6.2.2019)