Gibt es einen großen Planeten im Kuipergürtel? Vielleicht sind es nur sehr viele ringförmig angeordnete Eisbrocken, wie nun eine Studie nahelegt.
Illustr.: NASA, ESA, and G. Bacon

Die Idee, dass in den Randbereichen unseres Sonnensystems ein bislang unentdeckter großer Planet seine Runden drehen könnte, kursiert in Astronomenkreisen bereits seit Jahrzehnten. Handfeste Indizien für einen solchen Riesen legten aber erst vor rund fünf Jahren die beiden US-Astronomen Chad Trujillo und Scott Sheppard vor. Die Wissenschafter stützen ihre Annahme vor allem auf die ungewöhnlichen Umlaufbahnen zahlreicher Kuipergürtelobjekte. Die Anordnung dieser stark elliptischen Orbits sei höchstwahrscheinlich auf den gravitativen Einfluss eines massiven Objekts zurückzuführen, so die Argumentation der Forscher.

Verräterische Umlaufbahnen

Einige Fachkollegen unterstützen diese These, allen voran Konstantin Batygin und Michael E. Brown vom California Institute of Technology (Caltech). Die beiden Forscher haben inzwischen zahlreiche transneptunische Himmelskörper (TNOs) nachgewiesen, deren Umlaufbahnen sich ihrer Ansicht nach nur schwer ohne einen fernen Gasriesen erklären lassen. Nach ihrem Modell liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die auffällige Konstellation der Kuipergürtel-Brocken einem Zufall zu verdanken ist, bei lediglich 0,007 Prozent.

Video: Warum zahlreiche transneptunische Objekte auf den hypothetischen Planet Neun hinweisen.
caltech

Die zusammengetragenen Daten geben sogar Hinweise darauf, wie der ominöse Planet Neun aussehen könnte: So soll er rund vier- bis zehnmal so viel Masse besitzen wie die Erde und für eine vollständige Runde auf seiner langgestreckten Umlaufbahn 10.000 bis 20.000 Jahre benötigen. Seine geringste Distanz zur Sonne soll demnach etwa 1.000 Astronomische Einheiten, also der tausendfache Abstand zwischen Erde und Sonne, betragen.

Alternative Theorie

Nun aber haben zwei Wissenschafter eine alternative Erklärung vorgestellt, die Batygins und Browns Theorie in Bedrängnis bringt und die Existenz von Planet Neun wieder ein wenig in Frage stellt. Wie Jihad Touma von der American University of Beirut und Antranik Sefilian von der University of Cambridge in ihrer Studie zunächst auf dem Preprint-Server ArXiv.org darlegen, würde eine große Zahl von Objekten, die sich im Kuipergürtel in einer ringförmigen Region bewegen und zusammengenommen die bis zu zehnfache Erdmasse besitzen, einen ähnlichen Effekt haben, wie der hypothetische Planet.

Was sorgt für die charakteristischen Orbits vieler transneptunischer Objekte? Nicht alle Astronomen halten Planet Neun für die plausibelste Ursache.
Grafik: Tomruen

"In Kombination mit einem vereinfachten Modell des Sonnensystems könnte das die ungewöhnliche Orbitalarchitektur einiger Brocken am äußeren Ende des Sonnensystems erklären", meinen die Wissenschafter, deren Arbeit in der nächsten Ausgabe des Fachjournals "Astronomical Journal" erscheinen soll. Alternativen zur "Planet Neun"-These gab es freilich schon zuvor, die nun präsentierte berücksichtigt jedoch erstmals auch den Rest des Sonnensystems, wie Jihad Touma und seine Kollegen betonen.

Verblüffende Übereinstimmung

"Die Hypothese von Planet Neun ist faszinierend", sagt Touma. "Wir wollten jedoch nachprüfen, ob es eine andere, weniger dramatische und vielleicht natürlichere Ursache für die merkwürdigen Bahnen geben könnte, die wir bei einigen TNOs sehen." In ihrer Simulation kombinierten die Astrophysiker die gravitative Wirkung einer großen Zahl in einem gigantischen flachen Ring angeordneter Objekte jenseits der Neptunbahn mit jener der äußeren Planeten. Das Resultat erzeugte verblüffenderweise genau solche exzentrischen Umlaufbahnen einiger Kuipergürtelobjekte, die man schon mehrfach beobachten konnte.

Video: Michael Brown vom California Institute of Technology erklärt, was man bisher über Planet Neun zu wissen glaubt
Mike Brown

"Möglich, aber unwahrscheinlich"

"Wenn man den Planeten Neun aus unserem Modell entfernt und stattdessen zahlreiche kleine Objekte zulässt, die über ein weites Gebiet verstreut sind, könnten kollektive Attraktionen zwischen diesen Objekten genauso leicht die exzentrischen Bahnen erklären, die wir in einigen TNOs sehen", sagt Sefilian. Grundsätzlich bestätigt Michael Brown in einem aktuellen Blogeintrag, dass diese alternative Erklärung für Planet Neun rein rechnerisch durchaus möglich wäre. Für plausibel hält er sie allerdings nicht.

Allein die Annahme eines Ringes aus Objekten mit insgesamt der zehnfachen Erdmasse überträfe bisherige Schätzungen über die Gesamtmasse der Kuipergürtelobjekte um das 100- bis 500-Fache. Auch sei es rätselhaft, wie ein solcher Ring überhaupt entstanden sein sollte. Von den Autoren um Touma und Sefilian gäbe es auf diese Frage jedenfalls keine Antwort. Für Brown sei ein unentdeckter großer Planet in dieser Region des Sonnensystems immer noch die glaubwürdigste These. (tberg, 28.1.20019)