Eretmorhipis carrolldongi lebte in einer Welt, die noch von einer globalen Katastrophe gezeichnet war. Die quietschbunte Illustration des Paläontologen Gianluca Danini könnte vermuten lassen, dass es sich dabei um das "Disco Inferno" von The Trammps ("Burn, Baby, Burn!") gehandelt hatte, aber vermutlich war es eher massive vulkanische Aktivität.
Illustration: Gianluca Danini

Davis – Gelegentlich stolpern Paläontologen über die Fossilien eines Tiers, das so weit aus dem Rahmen fällt, dass sie sich verdutzt die Augen reiben. Ein solcher Fall ist Eretmorhipis carrolldongi, dessen Überreste in der Jialingjiang-Formation in China gefunden wurden. Es gehört zur weitläufigen Verwandtschaft der Ichthyosaurier: Meeresreptilien mit delfinähnlichem Körperbau. Nachdem man nun aber erstmals auch Überreste des Schädels gefunden hat, muss man konstatieren, dass Eretmorhipis auch Parallelen zu einem heutigen Schnabeltier aufwies.

Das Tier hatte einen langgestreckten Körper mit Schwanz und Ruderfüßen. Seine unmittelbare Verwandtschaft, die Hupehsuchia, war nicht so stark an ein Leben im Wasser angepasst wie ihre bekannteren Cousins, die Ichthyosaurier, und hatte daher noch keine Flossen. Außerdem wies Eretmorhipis Knochenplatten entlang seines Rückens auf.

Sieh da: Ein Schnabel

So weit war das erstmals 2015 entdeckte Tier bereits bekannt. Nun wird das Bild jedoch dank neuer Funde durch die gänzlich unerwartete Schädelform ergänzt: Der Schädel war insgesamt unverhältnismäßig klein, trug winzige Augen und einen Schnabel. "Das ist ein wirklich seltsames Tier", fasst Ryosuke Motani von der University of California seine Erkenntnisse zusammen.

Ein schönes Beispiel für konvergente Evolution: links der Schädel eines Schnabeltiers, rechts der von Eretmorhipis.
Illustration: L. Cheng et al, Scientific Reports, Creative Commons 4.0

Wie bei einem Schnabeltier war der Schädelknochen vorne gabelartig aufgespalten. Am Knochen setzte außen ein Schnabel aus Knorpelgewebe an, während das Loch in der Mitte vermutlich Sinnesorgane beherbergte. Bei Schnabeltieren zumindest sind hier Sensoren untergebracht, mit denen es in trüben Gewässern Beute aufspüren kann. Die Knopfaugen von Eretmorhipis lassen vermuten, dass auch dieses urzeitliche Tier eher auf andere Sinneseindrücke als optische setzte.

Wasserbewohner mit Ach und Krach

Auch Eretmorhipis war ein Wasserbewohner: Die Fundstätte, die heute in Zentralchina liegt, gehörte zu den Lebzeiten des Tiers – vor gut 250 Millionen Jahren – zu einem flachen Meer. Und flach ist keine Übertreibung: Laut dem Team um Motani war das Meer dort im Schnitt nur einen Meter tief.

Die Forscher vermuten, dass das etwa 70 Zentimeter lange Tier sich vor allem an lokalen Vertiefungen in diesem Flachmeer aufhielt, um nach wirbellosen Tieren wie Krebsen oder Würmern zu jagen. Ein guter Schwimmer ist Eretmorhipis laut Motani aber nicht gewesen – dafür sei der Körper zu ungünstig geformt und noch dazu recht starr gewesen.

Eine Zeitlang war ein solcher Körper gut genug, um der "Hecht im Karpfenteich" zu sein.
Illustration: L. Cheng et al, Scientific Reports, Creative Commons 4.0

Dem skurrilen Tier kam wohl zugute, dass es in einer ganz besonderen Ära lebte: Damals waren erst etwa zwei Millionen Jahre seit dem größten Massenaussterbeereignis der Erdgeschichte vergangen. Die Meere begannen sich damals nach dem globalen Kehraus gerade erst wieder zu füllen. Das ermöglichte die rasche Entwicklung neuer Arten und Körperformen und gab auch Spezies eine Chance, die an ihren Lebensraum nicht optimal angepasst waren – zumindest für einige Zeit.

"Es hatte zu seiner Zeit keine Konkurrenten", fasst Motani die kurze Erfolgsgeschichte von Eretmorhipis carrolldongi zusammen. "In der heutigen Welt würde es nicht überleben." (jdo, 26. 1. 2019)