2,4 Milliarden Euro stehen auf dem Spiel: So viel setzt die Sporthandelsbranche um. Jeder Prozent Marktanteil ist hart umkämpft.

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Es ist, als würde man sein Elternhaus verlassen. Aber irgendwann ist man einfach erwachsen und reif genug, um auf eigenen Beinen zu stehen." Christoph Bründl war acht Jahre alt, als seine Familie der Genossenschaft der Intersport-Händler beitrat. 49 Jahre später schält er sein Kapruner Unternehmern mitsamt seiner 26 Sporthandelsfilialen aus dem Verbund heraus. Bis Ende August soll die Trennung vollzogen sein.

Große Konzerne liefen Gefahr, in Behäbigkeit und Komplexität zu erstarren, sagt der Salzburger. Er selbst wolle wieder Ecken und Kanten, zumal zwei Drittel seiner Kunden aus dem Ausland kämen, etwa aus Skandinavien, Deutschland und der Slowakei. "Wir sollten uns viel mehr von der Mentalität der Start-ups abschauen."

Bründl fühlt sich weiterhin nur in den Alpen daheim. Dort werde er den einen oder anderen Standort neu eröffnen, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Aus "ruinösen Preisschlachten der Dinosaurier in den Städten" halte er sich auch künftig heraus. Marken würden hier geradezu vernichtet.

Haifischbecken

Knapp 70 Millionen Euro netto setzte der Salzburger 2017/18 um. 550 Mitarbeiter bauten den Umsatz flächenbereinigt um vier Prozent aus. Dem Internethandel erteilt er eine Absage. "Es ist ein Haifischbecken." Wer glaube, hier reüssieren zu können, verzerre die Realität. Die Expansion des Onlineriesen Alibaba in Europa mache die Webgeschäfte zudem bald noch schwieriger. Er sei jedenfalls überzeugt davon, dass "Menschen weiterhin von Menschen kaufen wollen, nicht von Maschinen".

Im österreichischen Sporthandel werden seit Jahren die Karten neu gemischt. Durch den Einstieg des britischen Diskonters Sports Direct, dem die Felle hierzulande rasch davonschwammen, wurde ein Viertel des Marktes frei.

Intersport und Hervis beeilten sich, die Lücken ebenso zu füllen wie kleine Einzelkämpfer. Aber auch neue internationale Konzerne nutzten die Gunst der Stunde. Obwohl die Umsätze im Web steigen, wird in der Branche nach wie vor in die stationären Flächen investiert, resümiert Holger Schwarting, Chef der Sport 2000, die als Genossenschaft 235 selbstständige Händler in sich vereint.

Knapp ein halbes Jahr ist es her, dass Weltmarktführer Decathlon den ersten Standort in Österreich eröffnete. Ein zweiter ist in Arbeit. Anders als in Deutschland oder in der Schweiz, wo sich die Franzosen mit einem Schlag 20 Filialen sicherten, gehen sie es hier offenbar ruhiger an. Auf vier Geschäfte bringen es die Norweger, die mit ihrer Sporthandelskette XXL 2017 in Österreich einstiegen. Im April eröffnet in Wien ihr Flagshipstore – Sports Direct räumte dafür in der Mariahilfer Straße das Feld.

XXL-Österreich-Geschäftsführer Patrick Verwilligen plant heuer, wie er sagt, weitere Eröffnungen; die Standorte dafür seien teils schon unter Dach und Fach. Dass sich in Österreich innerhalb von fünf Jahren ein Netz aus 15 bis 20 Filialen spannen lässt, wie der Konzern beim Start angekündigt hatte, bezweifeln Mitbewerber.

XXL enttäuscht Norweger

International räumte XXL ein, mit Rabatten zu aggressiv gewesen zu sein. Im Dezember erlebte der Konzern in Oslo den größten Kurssturz der Firmengeschichte. Seine Aktien fielen um bis zu 44 Prozent auf ein Rekordtief, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Auslöser dafür waren enttäuschende Gewinnerwartungen. Es folgte ein Personalwechsel an der Spitze.

In Österreich sei die Gruppe gut unterwegs, sagt Verwilligen. Und er hofft, sie in einer Nische wachsen zu sehen, die fast alle anderen Sporthändler auslassen: mit Jagdausrüstung bis hin zum Gewehr. "XXL soll in Österreich dafür ein führender Anbieter werden."

Die Jagd sei in Skandinavien, vor allem in Norwegen, ein Volkssport. Und sie boome auch in Österreich, meint Verwilligen. Er sei mit dem bisherigen Geschäft rund um die Pirsch sehr zufrieden.

Der Rest der Branche sucht ihr Glück derweil lieber im Schnee. "Wir haben jüngst gelernt, dass es davon auch zu viel geben kann", zieht Schwarting Bilanz über die vergangenen Wochen. Kurzfristig brachen die Buchungen im Jänner in vielen Skidestinationen um gut zehn Prozent ein. Mittlerweile jedoch versprechen die Schneemassen verbunden mit der klirrenden Kälte dem Sporthandel eine starke Saison. Wobei der Winter fürs Geschäft über die Jahre freilich an Gewicht verlor. Dank Rädern und Laufschuhen bleiben die Umsätze im Sommer in Balance.

Schwarting stellt sich ab April wieder auf einen Ansturm auf E-Bikes ein. "Die Kapazität der Hersteller hinkt der Nachfrage hinterher." Unterm Strich stagniert Österreichs Sporthandel auf 2,4 Milliarden Euro Umsatz. 700 Millionen davon steuern branchenfremde Anbieter bei. In den Webhandel fließt geschätzt ein Fünftel. (Verena Kainrath, 26.1.2019)