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Auf winterlichen Straßenverhältnissen werden die durch Autoabgase verursachten Probleme durch Salz und Streugut zusätzlich verschärft.

dpa / Matthias Balk

Der Streit in Deutschland über ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern bringt Schwung in die Diskussion über Klimaschutz und Verkehr in Österreich. Die am Dienstag zur Veröffentlichung anstehende Treibhausgasbilanz 2017 wird den Druck, Maßnahmen zu ergreifen, noch einmal erhöhen. Denn laut STANDARD-Recherchen hat der Hauptemittent Verkehr seine unangefochtene Pole-Position weiter ausgebaut.

Dank boomender Konjunktur, die den Transportverkehr massiv anschiebt, sind die Treibhausgasemissionen (THG) im Verkehr um zwei bis drei Prozent gestiegen. Ausgehend von 45,4 Prozent oder 23 Millionen Tonnen im Jahr 2016 kommt damit vom Straßenverkehr bald die Hälfte aller Treibhausgasemissionen, die Österreich zugerechnet werden (ohne Emissionshandel) – gefolgt von Gebäuden/ Hausbrand, Agrar und Energie. Die Steigerung hat sich damit zwar nicht exponentiell beschleunigt (von 2015 auf 2016 waren die Verkehrsemissionen um 4,2 Prozent gestiegen), die Fahrleistung stieg aber auch im Vorjahr deutlich an – und Österreich entfernte sich vom Zielpfad "minus neun Millionen Tonnen bis 2030" weiter, anstatt sich anzunähern.

Im Nebel

Im (Feinstaub-)Nebel geparkt ist auch der dazugehörige Maßnahmenkatalog, den Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) in seinem "Sachstandsbericht" von Experten unter anderem des Umweltbundesamtes erarbeiten lässt. Die Endversion erwartet das Ministerium im März. Die aufsehenerregendste von den Experten empfohlene Einzelmaßnahme, Tempo 100 auf Autobahnen, wurde bereits verworfen, als sie im Oktober an die Öffentlichkeit kam.

Die Tempobremse wird im Endbericht dennoch enthalten sein, detto Citymauten, heißt es, der Maßnahmenmix bleibe im Wesentlichen unverändert. Das ficht den Verkehrsminister nicht an. Er hält am Testbetrieb für Tempo 140 fest, begleitet diesen mittels Dauermessungen an den Luftgütemesspunkten kombiniert mit Abgasmessungen (am Auspuff) an zehn Fahrzeugtypen im Realbetrieb. Ende Juli soll die Bewertung der Ergebnisse durch Sachverständige samt Veränderungen beim CO2- und NOx-Ausstoß sowie der Lärmbelastung vorliegen, betont ein Sprecher, der hinsichtlich Klimaschutz einmal mehr auf jährlich 2,5 Milliarden Euro an Investitionen in die Bahninfrastruktur verweist. Letztere werden freilich einen überschaubaren Effekt bei der Verlagerung von der Straße auf die Schiene haben. Denn für Personenzüge, die den Großemittenten Pkw-Verkehr einbremsen könnten, braucht es zusätzliche öffentliche Mittel. Im Güterverkehr fährt das "Bahnland Nummer eins" wohl ganz vorn in Europa mit, das Match gegen Laster und Gigaliner ist aber längst verloren.

Keine Details

Auf Details wie diese lässt sich Hofers deutscher Amtskollege Andreas Scheuer (CSU) erst gar nicht ein. Er hat die nächste Sitzung der Mobilitätskommission, die vor wenigen Tagen ein Maßnahmenbündel zur Erreichung der Klimaziele 2030 präsentiert hat, kurzerhand abgesagt. Und zugleich dessen unpopuläres Herzstück, das Tempolimit 130 km/h auf Autobahnen, kaltgestellt. Ein neuer Termin steht nicht fest, wenngleich der Endtermin für die Präsentation der Empfehlungen Ende März noch nicht gekübelt wurde.

Scheuer fürchtet augenscheinlich den durch Dieselfahrverbote in Städten längst geweckten Groll der Bevölkerung. Er wäre durch eine von der Industrie erwogene "CO2-Bepreisung", also eine Abgabe auf Kohlendioxidausstoß, wohl zusätzlich befeuert worden.

Er ist damit auf Linie mit Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD, die auf Anfrage der Grünen versicherte, dass es für "weitere preissteuernde Maßnahmen" keine Beschlüsse gebe. Im Spätherbst gewälzte Pläne zur CO2-Besteuerung im Bereich Wärme und Verkehr dürften damit endgültig vom Tisch sein.

Garaus dem Dieselprivileg

Ähnlich wenig Aussicht auf Umsetzung haben in Österreich Forderungen von Wirtschaftsforschern und Umweltschützern, dem Dieselprivileg den Garaus zu machen. Die Abschaffung der Dieselförderung allein würde den "Tanktourismus", der Österreich bei den Klimazielen behindert, nämlich kaum zurückdrängen, allerdings den Fiskus – bei einer Förderung von aktuell 8,5 Cent pro Liter – jährlich rund 640 Millionen Euro an Einnahmen kosten. Um das Tanken des ausländischen Schwerverkehrs unattraktiv zu machen, wäre der doppelte bis dreifache Einsatz notwendig (15 bis 20 Cent pro Liter).

Abgesehen von der Elektroauto-förderung (Ökobonus), die Hofer bis 2020 fortgeschrieben hat, fehlen Steuerungselemente für eine Verkehrswende in den Steuerreformplänen der Regierung. Die Chance auf Entlastung des Bahnstroms von der Energieabgabe wurde nicht ergriffen. Selbst die Idee, die motorbezogene Versicherungssteuer statt auf den Hubraum auf CO2 umzurüsten, wurde in einer Arbeitsgruppe geparkt. (Luise Ungerboeck, 26.1.2019)