n Frankreich, dem Land der großen Revolution, entscheiden sich politische Kämpfe nicht nur an den Wahlurnen, sondern auch auf der Straße. Und dort demonstriert längst nicht nur die Linke: 1984 etwa bremste eine Million Privatschulbefürworter den sozialistischen Elan von Präsident François Mitterrand in der Schulpolitik.

Am Sonntag sind nun einige Tausend – eher bürgerliche – "Rote Schals" zur Pariser Bastille gezogen, um gegen die Gelbwesten-Krawalle zu protestieren. Dem Aufruf war kein überwältigender Erfolg beschieden. Die Rotschals gelten als Helfershelfer von Präsident Emmanuel Macron. Zudem hatte am Vortag, dem elften Gelbwesten-Samstag, ein brutaler Polizeieinsatz hohe Wellen geschlagen.

Die Rotschals können also kaum in Anspruch nehmen, sie verkörperten die schweigende Mehrheit gegenüber den sich lichtenden "gelben" Protestreihen. Auch Macron hat in der Bevölkerung viel Kredit verspielt. Er versucht, die Wut der Proteste in eine "nationale Debatte" umzuleiten. Der Erfolg ist alles andere als garantiert, auch wenn sich seine Umfragewerte wieder leicht bessern.

Mit oder ohne Rotschals: Die meisten Franzosen haben genug von den nicht abreißenden Gewaltprotesten, die Gift sind für die Wirtschaft Frankreichs und das Image des Reiselandes. Sie halten am Vorrang der demokratischen Strukturen fest – und damit auch am Präsidenten. Aber nicht wegen Macron, sondern um des zivilen Friedens willen.

(Stefan Brändle, 27.1.2019)