Sao Paulo / Brumadinho – Die Hoffnung schwindet, doch die Suche geht weiter: Nach dem Dammbruch an einer Eisenerzmine in Brasilien ist die Zahl der bestätigten Todesopfer auf 58 gestiegen. 305 Menschen wurden noch vermisst, gab die Zivilschutzbehörde am Sonntag bekannt. Die Zahl der Toten dürfte somit weiter steigen.

"Es sind viele Vermisste. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie tot sind, ist erheblich gestiegen", sagte der Minister für regionale Entwicklung, Gustavo Canuto. Am Sonntag konnten die Rettungskräfte keine Überlebenden bergen.

Hilfsmannschaften in Brasilien finden immer mehr Menschen, die bei dem Dammbruch ums Leben gekommen sind. Bislang wurden 58 Tote geborgen. Es besteht kaum noch Hoffnung, weitere Überlebende zu finden.
ORF

Vorübergehende Evakuierung

Rund 200 Feuerwehrleute und 13 Hubschrauber waren an den Such- und Bergungsarbeiten nahe dem Ort Brumadinho im Bundesstaat Minas Gerais beteiligt. Israel schickte 130 Soldaten und 16 Tonnen Material an die Unglücksstelle, um bei den Such- und Bergungsarbeiten zu helfen. Am Sonntag wurde die Suche vorübergehend eingestellt, weil ein zweiter Damm zu brechen drohte.

Diese Gefahr bestehe nicht mehr, teilte die Zivilschutzbehörde später mit. Wegen erhöhter Wasserstände an einem Rückhaltebecken hatte der Minenbetreiber Vale zuvor Alarm ausgelöst. Nach der Entwarnung kehrten die 24.000 Bewohner evakuierter Orte in ihre Häuser zurück.

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Einsatzkräfte durchsuchen ein überflutetes Gebiet.
Foto: AP/Andre Penner

Zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm

Der Damm an der Mine des brasilianischen Bergbaukonzerns war am Freitag gebrochen. Eine Schlammlawine war über Teile der Anlage und benachbarte Siedlungen hinweggerollt und hat alles mitgerissen, was ihr im Weg stand: Häuser, Menschen, Tiere. "Ich habe alles verloren. Wir sind gerannt, meine Frau und mein Enkel, nur mit unserer Kleidung am Körper", sagte Virgilio Fernandes Pessoa am Wochenende der Zeitung "Estado de Minas".

Er lebte von seinen Tieren, die der Schlamm mitgerissen hat. "Ich habe 40 Jahre lang gelitten und gekämpft und jetzt in fünf Minuten alles verloren. Das ist nicht fair." Insgesamt ergossen sich nach Angaben von Vale rund zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm über die Anlage und die nahe liegenden Siedlungen.

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Zwei Fotos des Damms – oben vor dem Bruch, unten danach.
Foto: AP

Strafzahlungen

Wie es genau zu dem Unfall kam, sei noch unklar, sagte Vale-Präsident Fabio Schvartsman. Er sprach von einer "fürchterlichen Tragödie". Das Umweltministerium kündigte eine Strafe in Höhe von 250 Millionen Reais (58 Millionen Euro) für den Konzern an. Die Staatsanwaltschaft in Minas Gerais teilte zudem mit, dass fast elf Milliarden Reais (2,6 Milliarden Euro) auf den Konten des Minenbetreibers eingefroren wurden, um Mittel für Entschädigungszahlungen an Opfer zu haben.

Die Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung ein, um die Verantwortlichen für das Unglück zu ermitteln. "Wir tun alles, um die Sicherheit und Stabilität der Dämme sicherzustellen", sagte Vale-Chef Schvartsman. Der deutsche TÜV Süd hatte die Dämme im vergangenen Jahr geprüft, bestätigte das Unternehmen. "Wir werden die Ermittlungen vollumfänglich unterstützen und den Ermittlungsbehörden alle benötigen Unterlagen zur Verfügung stellen."

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Ein zum Teil zerstörtes Haus in der Gegend.
Foto: AP/Andre Penner

Ähnliches Unglück bereits 2015

Im Jahr 2015 gab es in Minas Gerais schon ein ähnliches Unglück. Bei der "Tragödie von Mariana" kam es in einem Eisenerzbergwerk zu einem Dammbruch an einem Rückhaltebecken, bei dem 19 Menschen starben. Das damalige Betreiberunternehmen Samarco gehörte ebenfalls Vale sowie dem australisch-britischen Konzern BHP. Eine riesige Welle mit Schlamm und schädlichen Stoffen ergoss sich in angrenzende Ortschaften und kontaminierte den Fluss Rio Doce auf rund 650 Kilometern Länge. Bis in den Atlantik floss die braunrote Brühe.

"Diese neue Katastrophe ist die traurige Konsequenz davon, dass die brasilianische Regierung und die Bergbauunternehmen nichts dazugelernt haben", sagte Nilo D'Ávila von der Umweltorganisation Greenpeace. "Das ist kein Unfall, sondern ein Umweltverbrechen, das bestraft werden muss." (APA, 28.1.2019)