"Stellen wir uns ein riesiges Konzert mit einer Gruppe Musiker vor", wurde Martine Collart von der Universität Genf in einer Mitteilung der Hochschule zitiert. "Der Raum ist voll Zuschauer und hat Dutzende Türen. Wie sollen sich die Musiker inmitten dieser riesigen Menschenmenge rechtzeitig finden, um zusammen aufzutreten?" Genau das Gleiche passiere ständig im Zellinneren, erklärte die Forscherin.

Die Musiker aus dem Beispiel sind Proteine, die sich im Gewusel des Zellinneren zu großen Zellmaschinen zusammenfinden müssen. Eine solche Maschine ist zum Beispiel das sogenannte Proteasom, eine Art Recyclinganlage der Zelle, die defekte oder verklumpte Eiweiße zerlegt. Fällt diese Anlage aus, weil die Bestandteile nicht korrekt zusammenfinden, können sich schädliche Eiweißklumpen ansammeln, die zum Beispiel mit neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung stehen.

Den Gleichklang finden

Wie Forscher um Collart im Fachblatt "Nature Structural & Molecular Biology" berichteten, spielt ein Protein namens Not1 eine wichtige Rolle, damit sich die Bestandteile des Proteasoms im Zellinneren finden. Not1 sorgt zum einen dafür, dass die zusammen gehörenden Proteine nebeneinander synthetisiert werden – "als würden alle Musiker durch die gleiche Tür den Raum betreten", so Collart. Zum anderen beschrieben sie und ihre Kollegen, dass Not1 offenbar bei der Produktion der Proteine den Rhythmus vorgibt.

Die Proteinfabriken, Ribosomen genannt, lesen die Bauanleitung (in Form von RNA-Molekülen) nämlich nicht in einem Rutsch, sondern pausieren ab und zu, wie die Forscher berichteten. Das erlaubt den bereits synthetisierten Teilen der Proteine, sich in die korrekte dreidimensionale Struktur zu falten und aneinander anzulagern. Dieser Rhythmus ist nicht zufällig, sondern von Not1 reguliert, das damit sicherstellt, dass die neu produzierten Proteine rasch und ohne Hindernisse zusammenfinden.

Gesunde und kranke Rhythmen

Fehlfunktionen in Not1 könnten damit der Schlüssel zum Verständnis vieler Krankheiten sein, schrieb die Uni Genf. Die Forscher studierten den Rhythmus der Proteinfabriken in menschlichen Krebszellen und gesunden Zellen und entdeckten signifikante Unterschiede. Wie der Rhythmus kontrolliert wird und ob man in diesen Vorgang eingreifen kann, sollen künftige Studien zeigen.

Collart entdeckte Not1 bereits vor fast 30 Jahren und versucht seither, dem Geheimnis dieses Proteins auf die Schliche zu kommen. Dass es eine extrem wichtige Funktion erfüllt, lässt sich auch daraus schließen, dass es in allen höheren Organismen von der Hefezelle bis zum Menschen vorkommt, in der Evolution also stark konserviert ist. (APA, 28.1.2019)